Fragen vom 13.04.2011 Wie gefährlich ist Atommüll im Zwischenlager?

Stand: 13.04.2011 21:26 Uhr

Verbrauchte Brennelemente werden in Castor-Behältern gelagert, bis sich der Atommüll auf unter 200 Grad abgekühlt hat. Dann kann er in ein Endlager gebracht werden. Doch ein solches gibt es bislang in Deutschland noch nicht.

Grundsätzlich müssen alle verbrauchten Brennelemente nach dem Ausbau aus dem Reaktorkern für mindestens ein Jahr unter Wasser mit aktiver Kühlung lagern, um ihre Temperatur auf höchstens 400 Grad zu senken. Diese erste Zwischenlagerung erfolgt direkt am Reaktor in Abklingbecken, die mit borhaltigem Wasser gefüllt sind. Je nach Reaktortyp sind diese Nasslager stärker oder weniger stark gesichert. Bei Druckwasserreaktoren sind die Nasslager in das Containment aus Beton und Stahl integriert, befinden sich also in einer Zone verstärker Sicherheit.

Bei den Siedewasserreaktoren wie etwa Philippsburg I und fünf anderen Reaktoren sind die Becken dagegen nur innerhalb des Reaktorgebäudes im Obergeschoss gebaut worden. Damit sind sie bei weitem anfälliger für Störungen. Allerdings versichert etwa das baden-württembergische Umweltministerium, aufgrund einer anderen, einer besseren Strom- und Wasserversorgung als in Japan seien die hiesigen Kraftwerke sicherer. Dennoch soll die Sicherheit der Nasslager zu einem der Hauptthemen bei den kommenden Sicherheitsüberprüfungen werden.

Massive Strahlungsaustritte unwahrscheinlich

Sehr wahrscheinlich sind massive Strahlungsaustritte aus den Abklingbecken tatsächlich nicht, aber das war der Unfall von Fukushima ja auch nicht. Gerade beim vor sechs Jahren abgeschalteten Kernkraftwerk Obrigheim sind Atomkraftgegner besorgt, dass es durch Erdbeben ähnliche Probleme wie in Fukushima geben könnte. Das wird freilich von den zuständigen Behörden und vom Kraftwerksbetreiber verneint. Fast 1.000 Brennelemente lagern in Obrigheim.

In den deutschen Nasslagern befanden sich  – Stand: 31.12.09 – insgesamt 10.531 ausgediente Brennelemente, fast die Hälfte davon übrigens allein in Gundremmingen. Für eine längere Lagerung sind diese Becken schlechter geeignet als die Trockenlagerung. Sobald die Brennelemente daher ausreichend abgekühlt sind, werden sie in Castor-Behälter umgeladen. Das sind jeweils weit über 100 Tonnen wiegende Gussbehälter mit speziellen Dichtungen und Rippen, um die Wärme des Atommülls abzuleiten. Die anderthalb Millionen Euro teuren Spezialkonstruktionen müssen etwa eine Aufprall aus fast zehn Meter Höhe auf Beton aushalten, ein halbe Stunde bei 800 Grad Celsius überstehen oder auch in 200 Meter Wassertiefe noch eine Stunde intakt bleiben. Angeblich werden sie sogar durch ein darauf stürzendes Flugzeug nicht zerstört.

Müll wird mittlerweile dezentral gelagert

In diesen Castoren wird der Atommüll dann solange gelagert, bis er sich auf unter 200 Grad abgekühlt hat und in ein – bisher nicht existierendes – Endlager gebracht werden kann. Seit etwa zehn Jahren wird der Müll auch nicht mehr in Frankreich oder England aufbereitet und danach in zentralen Zwischenlagern untergebracht wie vorher nach Gorleben oder Ahaus. Er wird seither dezentral in Castoren an den jeweiligen Kernkraftwerken gelagert. Das ist auch gut so, denn dort ist er nahe beim „Verursacher“. Und aus den Zwischenlagern werden auf diese Weise keine klammheimlichen „Endlager“.

Die Behälter werden in den Standortzwischenlagern in großen Hallen aufgestellt. Der Zugang zu diesen Hallen wird kontrolliert und ist über große Stahltore von der Außenwelt abgeschottet. Bis zu vierzig Jahre dürfen die Castoren in diesen Lagern stehen – solange zumindest läuft die Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz. Dann sollte ein Endlager gefunden und gebaut sein. Und darin strahlen die Überreste einer einst so hoffnungsfroh gestarteten Energieversorgungstechnologie dann für mehrere hunderttausend Jahre. Aber der Streit um ein Endlager ist noch mal eine eigene, eine andere Geschichte.

Fragen zu Fukushima
Die SWR-Uweltredakteure Werner Eckert und Axel Weiß haben im Blog zahlreiche Fragen zu Fukushima beantwortet. tagesschau.de hat diese ursprünglich für das Blog verfassten Texte nun zu einem Dossier zusammengefasst.