Regierungsbildung in Griechenland "Es gibt keine Hoffnung"
Nichts ist bislang beschlossen worden, nichts ist in trockenen Tüchern. Griechenland ist von der Bildung einer funktionsfähigen Regierung nach wie vor weit entfernt. Viele Bürger haben ohnehin das Vertrauen verloren und glauben auch nicht mehr, dass bald eine neue Koalition steht.
Von Reinhard Baumgarten, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Anderthalb Stunden hat das Gespräch zwischen Staatspräsident Karolos Papoulias und den Vorsitzenden der drei größten im Parlament vertretenen Parteien gedauert.
Nach dem ergebnislosen Treffen wendet sich Pasok-Chef Evangelos Venizelos beschwörend an die Öffentlichkeit. Er appelliere an Logik und Patriotismus aller Bürger und politischen Führer. "Selbst jetzt nach dem Treffen mit dem Präsidenten bin ich noch optimistisch, dass eine Regierung gebildet werden kann", sagte Venizelos. Das Land dürfe keine Zeit verschwenden. "Wenn jetzt Zeit vergeudet wird, schadet das den Jungen und der verwundbaren Mittelschicht."
Alles hängt an Tsipras - ...
Den Schlüssel zur erfolgreichen Regierungsbildung hält der 37-jährige Alexis Tsipras in der Hand. Sein linksradikales Bündnis Syriza ist mit 16,8 Prozent zweitstärkste Kraft im Parlament. Tsipras lehnt den eingeschlagenen Sparkurs ohne Wenn und Aber ab. Eine Regierungsbeteiligung kommt für ihn nicht in Frage. Nach dem heutigen Treffen sei klar, so Tsipras, dass es nicht nur um die Zustimmung der Syriza gehe, sondern "um die Komplizenschaft an einem Verbrechen. Wir machen uns aber nicht zu Komplizen. Im Namen der Demokratie, der Souveränität des Volkes und der patriotischen Verantwortung: Bei einer solchen Komplizenschaft machen wir nicht mit!"
Die einst großen Parteien, die sozialistische Pasok und die konservative Nea Dimokratia (ND), haben dieses Sparprogramm als Bedingung für internationale Finanzhilfe ins Werk gesetzt. Durch die Wahl sind sie geschrumpft und auf Koalitionspartner angewiesen. ND-Chef Antonis Samaras meint, das griechische Volk habe "nicht nur eine Botschaft übermittelt, es hat uns ein Mandat zur Zusammenarbeit, zum Politikwechsel gegeben und gesagt: bleibt im Euro. Es ist ein Mandat zur Zusammenarbeit in einer funktionsfähigen Regierung - zumindest bis zu den Europawahlen."
... doch er will nicht koalieren
Davon will Tsipras nichts wissen. Auch Präsident Papoulias konnte ihn nicht davon überzeugen, einer Regierung beizutreten. Rein rechnerisch wäre eine Koalition aus Pasok und ND mit den Demokratischen Linken möglich. Aber diese bestehen auf eine Beteiligung der Linksradikalen Syriza, um nicht als wortbrüchig zu gelten. Denn auch die Demokratischen Linken haben sich im Wahlkampf gegen das Sparprogramm ausgesprochen.
Die Gegner des Sparprogramms verfügen im Parlament über eine Mehrheit. Doch wendet sich Athen von diesem Sparprogramm ab, dürften weitere Hilfsgelder ausbleiben. Griechenland wäre Ende Juni pleite. Bleibt es bei diesem Patt, sind Neuwahlen unausweichlich.
"Keine Entwicklung, keine Hoffnung"
Für die 42-jährige Lehrerin Peggy Reppa wäre es am besten, Neuwahlen zu vermeiden, weil kein eindeutiges Ergebnis zu erwarten sei. Das Problem sei, meint sie, dass "das Leben der Menschen sehr hart ist. Wir sind wirtschaftlich, finanziell und emotional am Boden. Es gibt keine Entwicklung. Und auch keine Hoffnung.“
Der 60-jährige Rentner Costas hält Neuwahlen hingegen für die beste Lösung. Dann dürften wenigstens die Menschen entscheiden, meint er. "Ich glaube nicht, dass Präsident Papoulias eine Lösung finden kann."
Bis zum 16. Mai hat der 82-jährige Präsident noch Zeit. Gibt es dann keine neue Regierung, dürften Mitte Juni Neuwahlen stattfinden. Die Linkradikalen könnten Umfragen zufolge stärkste Kraft im Parlament werden.