Großbritannien Aufbruchstimmung bei Johnson
Großbritanniens neugewählter Premier Johnson feiert seinen Wahlsieg in Nordengland - in früheren Labour-Hochburgen. Er will den Brexit nun konsequent umzusetzen. Der Streit mit Schottland geht weiter.
Boris Johnson bricht heute in den Norden Englands auf, um seinen Wahlsieg als neuer britischer Premier zu feiern. In den ehemaligen Labour-Hochburgen im Norden hatten die Tories große Erfolge erzielt - und das, obwohl hundert Jahre lang keine konservativen Abgeordneten aus diesen Regionen ins britische Unterhaus entsandt worden waren. In seiner Fernsehansprache vom Freitag hatte Johnson es sich nicht nehmen lassen, dies besonders zu betonen.
Er kündigte an, das Land am 31. Januar 2020 aus der EU zu führen - da gebe es "kein Wenn, kein Aber und kein Vielleicht", versprach er vor jubelnden Anhängern in London.
Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, winkt den Journalisten zu, nachdem er vor 10 Downing Street eine Erklärung abgegeben hat.
Künftiges Verhältnis zur EU ungeklärt
Auch der Zeitplan ist klar: Am Dienstag soll das neugewählte Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Am Donnerstag wird Königin Elisabeth II. in der "Queen's Speech" Johnsons Regierungserklärung vortragen. Tags darauf dürfte die Abstimmung über das mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen folgen.
Da die Tories einen Vorsprung von 80 Sitzen auf die übrigen Parteien haben, dürfte die Zustimmung eine Formsache sein - und auch bei der Umsetzung weiterer Regierungsvorhaben haben die Konservativen einigen Spielraum.
Beobachter rätseln, wie Johnson das künftige Verhältnis zur EU ausgestalten wird. Bei seiner Ansprache hatte er den proeuropäischen Brexit-Gegnern zugesichert: "Wir werden Ihre guten und positiven Gefühle von Wärme und Sympathie gegenüber den anderen Nationen Europas niemals ignorieren." Ob sich dahinter mehr verbirgt als rhetorische Höflichkeiten, ist unklar - zu vertraut ist das Bild des polternden Provokateurs Johnson, der Abweichler als Verräter schmäht und politische Gegner kaltstellt.
Brexiteers wollen "dran bleiben"
Die durch die klare Neuausrichtung der Tories überflüssig gewordene Brexit-Partei hatte bei den Wahlen nicht einen Sitz im Parlament erhalten. Ihr Gründer Nigel Farage versprach jedoch in einem Gastbeitrag für den "Daily Telegraph": "Egal, was in den nächsten Monaten passiert, ich werde sicherstellen, dass ich dranbleibe." Seine Partei würde Druck machen, wenn der Brexit nicht gemäß Johnsons Versprechungen vollzogen werde.
In Schottland regt sich erneut Widerstand gegen die Konservativen unter Johnson - dort hatte die proeuropäische SNP bei den Wahlen deutlich zugelegt. Regierungschefin Nicola Sturgeon hatte bereits angekündigt, den formalen Prozess für ein neues Unabhängigkeitsreferendum anzustoßen. Johnson erteilte einer solchen Abstimmung, der das britische Parlament in Westminster zustimmen muss, eine Absage. "Der Premierminister hat klar gemacht, dass er gegen ein zweites Unabhängigkeitsreferendum ist", sagte ein Sprecher der 10 Downing Street nach einem Telefonat mit Sturgeon. Der Premier habe hinzugefügt, dass "das Ergebnis 2014 klar gewesen" sei und respektiert werden sollte.
Auf die Ablehnung Johnsons antwortete sie auf Twitter: "Und ich habe klar gemacht, dass das Mandat der SNP, den Menschen eine Wahl zu ermöglichen, respektiert werden muss."
Im Jahr 2014 hatten 44 Prozent der Schotten gegen die Abspaltung vom Vereinigten Königreich gestimmt. Sturgeon argumentiert jedoch, die Schotten hätten sich damals mehrheitlich für einen Verbleib im Königreich unter der Bedingung eines EU-Verbleibs ausgesprochen. Mit dem landesweiten Votum für den Brexit von 2016 habe sich die Lage geändert. Schottland hatte in diesem Referendum für einen Verbleib in der EU gestimmt.
Mit Informationen von Stephan Laack, ARD-Studio London