Reaktionen auf Wahl Johnsons Frust und Hoffnung nah beieinander
Die ersten Reaktionen der EU auf die Wahl der Briten sind geprägt von der Hoffnung auf neue gemeinsame Abkommen. US-Präsident Trump macht ebenfalls ein Angebot. Und an den Börsen geht es nach oben. Alle Reaktionen im Überblick.
Reaktionen aus der EU
Die meisten öffentlichen Reaktionen sind bisher direkt aus der EU und von den dortigen Abgeordneten gekommen. So gratulierte EU-Ratspräsident Charles Michel dem britischen Premierminister Boris Johnson zu seinem Wahlsieg. Er erwarte nun eine rasche Abstimmung über das Brexit-Abkommen im britischen Parlament, sagte er. Die EU sei bereit, mit Großbritannien ein Handelsabkommen zu vereinbaren. Dabei sei es sehr wichtig, faire Bedingungen zu wahren.
Ähnlich äußerte sich EU-Industriekommissar Thierry Breton: Brüssel wolle die Beziehungen zu London "wieder aufbauen", sagte er im französischen Radiosender RTL. Das Vereinigte Königreich sei ein "wichtiger Partner" der EU, mit dem die EU-Kommission "ausgeglichene" Gespräche über die künftigen Handelsbeziehungen anstrebe.
Johnson hatte im Wahlkampf den Vollzug des Brexit zum 31. Januar versprochen. Danach stehen jedoch Gespräche mit Brüssel über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU an. Dem Austrittsabkommen zufolge soll das Land bis Ende 2020 in einer Übergangsphase bleiben.
An der Umsetzung dieses Zeitplans zweifelt der deutsche EU-Abgeordnete David McAllister. Das Ziel, die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien bis Ende 2020 abzuschließen, sei "extrem ambitioniert, meines Erachtens ausgeschlossen", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Den mit dem Wahlsieg der Konservativen unausweichlich erscheinenden Austritt Großbritanniens nannte er "einen historischen Fehler".
SPD-Europapolitikerin Katarina Barley: "Sie wollten lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende."
Auch die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley zeigt sich enttäuscht über das Wahlergebnis. Im Interview mit dem Radiosender B5 aktuell äußerte sie zugleich Verständnis für die Briten: "Sie wollten lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", so Barley wörtlich. Die Ankündigung von Labour-Chef Jeremy Corbyn zu weiteren Verhandlungen sei für viele ein Albtraum gewesen. Barley, die auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt, schließt einen harten Brexit weiter nicht aus - weil die Verhandlungen bis Ende 2020 eine "verdammt kurze Zeit" seien.
Reaktionen aus Deutschland
Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte Johnson zu seinem Erfolg. "Herzlichen Glückwunsch, Boris Johnson, zu diesem klaren Wahlsieg", zitierte Regierungssprecher Steffen Seibert Merkel via Twitter. "Ich freue mich auf unsere weitere Zusammenarbeit für die Freundschaft und enge Partnerschaft unserer Länder", erklärte die Kanzlerin demnach weiter.
Weniger zufrieden zeigte sich der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen. Er schrieb von "einem traurigen, katastrophalen Ergebnis für Labour". Wenn Linke keine klare Haltung zu Europa und ein radikales, unfinanzierbares Programm vorlegen würden, ginge der Kontakt zur Mehrheit der Gesellschaft verloren.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen, schrieb, dass er sich gewünscht habe, dass Großbritannien in der EU bleibe. Aber nun sei ein Brexit "unausweichlich" geworden. "Unser Ziel muss es nun sein, die Beziehungen zu Großbritannien so eng wie möglich zu halten."
Reaktionen aus anderen EU-Ländern
Österreichs designierter Kanzler Sebastian Kurz hat Johnson zu einem "beeindruckenden Wahlsieg" gratuliert. Er hoffe, dass das Abkommen zum Austritt Großbritanniens aus der EU nun rasch ratifiziert werden könne, schrieb der konservative Politiker auf Twitter.
Die belgische Ministerpräsidentin Sophie Wilmès erwartet vom EU-Gipfel am Freitag ein klares Mandat für den Brexit-Unterhändler Michel Barnier. "Es ist sehr wichtig, dass wir wissen, wie es weitergeht", sagt sie. Das betreffe auch ein künftiges Handelsabkommen der EU mit Großbritannien.
Reaktionen aus aller Welt
US-Präsident Donald Trump gratulierte Johnson zum klaren Wahlsieg. Großbritannien und die USA seien nun frei, um einen "massiven neuen Handelsdeal" abzuschließen, twitterte er. "Dieser Deal hat das Potenzial, viel größer und lukrativer zu sein als jeder Deal, der mit der EU abgeschlossen werden könnte. Feiere, Boris", so der US-Präsident.
Russland hofft nach Johnsons Wahlsieg auf bessere Beziehungen zwischen Moskau und London. Diese Hoffnung bestehe nach jeder Wahl in einem Land, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Er gehe davon aus, dass die gewählten politischen Kräfte sich darauf konzentrierten, "gute Beziehungen zu unserem Land aufzubauen". Er wisse aber nicht, "wie relevant solche Erwartungen für die Konservativen sind", sagte Peskow.
Auch Australiens Premierminister Scott Morrison gratulierte Johnson: Er freue sich auf die Stabilität, die dieser "überragende" Sieg mit sich bringe, schrieb er auf Twitter. "Sag G'day zu den stillen Briten von uns", fügte er hinzu und bezog sich damit auf die Unterstützer Johnsons. Morrison hatte im Mai selbst mit seinem Mitte-rechts-Bündnis allen Umfragen zum Trotz die australische Parlamentswahl gewonnen, damals bezeichnete er seine Wähler als "die stillen Australier".
Australiens Premierminster Scott Morrison: "Sag G'day zu den stillen Briten von uns", schrieb er auf Twitter.
Ebenfalls auf Twitter meldete sich auch Indiens Regierungschef Narendra Modi zu Wort. Er freue sich auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Indien, schrieb er. Australien und Indien waren früher britische Kolonien und gehören heute noch zum Commonwealth. Oberhaupt des Staatenbundes ist Königin Elizabeth II.
Reaktionen der Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft dringt auf den raschen Abschluss eines Freihandelsabkommens. "Gelingt dies nicht, gehen die mit einem harten Brexit verbundenen Diskussionen und Unsicherheiten Ende 2020 wieder los. Das muss unbedingt vermieden werden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Thilo Brodtmann.
Der deutsche Aktienmarkt reagierten in einer ersten Reaktion sehr positiv auf die Entscheidung in Großbritannien: Der Dax preschte im frühen Handel um 1,26 Prozent vor auf 13.388 Punkte. In einem hektischen Hin und Her hatte er in den Anfangsminuten sogar die 13.400 Punkte übersprungen, womit er ein Hoch seit Januar 2018 markierte. Er näherte sich damit wieder seinem damals erreichten Rekord von gut 13.596 Punkten.