Iranische Flagge vor blauem Himmel
Analyse

Naher Osten Irans asymmetrischer Krieg

Stand: 16.09.2019 18:13 Uhr

Welche Rolle spielte der Iran bei den Angriffen auf die Raffinerie in Saudi-Arabien? Vieles spricht für eine zumindest indirekte Beteiligung. Das Land hat nichts zu verlieren.

Eine Analyse von Reinhard Baumgarten, SWR

Vieles spricht dafür, dass der Iran an den Drohnenangriffen auf die saudi-arabischen Ölanalagen beteiligt war - direkt oder indirekt. Teheran sieht sich rasant wachsenden wirtschaftlichen Problemen durch Washingtons "maximalen Druck" ausgesetzt. Die Ölausfuhr ist binnen Jahresfrist auf deutlich unter eine Million Fass am Tag um mehr als zwei Drittel zu­rück­gegangen. Ausländische Direktinvestitionen finden kaum noch statt. Lediglich China und in begrenztem Maße Russland lassen sich noch auf nennenswerte Geschäfte mit dem Iran ein.

Die iranische Führung kann nicht darauf hoffen, dass die Trump-Administration die gegen ihr Land verhängten Sanktionen lockert. Teheran braucht Verhandlungen, um den wirtschaftlichen Kollaps abwenden zu können. Damit Verhandlungen auf Augenhöhe stattfinden können, versucht Teheran, die politische und militärische Lage zu eskalieren.

Wie umfangreich ist Teherans Hilfe?

Die Huthi-Rebellen im Jemen geben an, sie seien für die jüngsten Drohnenangriffe auf saudische Einrichtungen verantwortlich. Tatsächlich haben die Huthis gute Gründe, Saudi-Arabien anzugreifen. Seit März 2015 bombardiert eine von Riad geführte Koalition die von ihnen kontrollierten Gebiete im Bürgerkriegsland Jemen. Die Folge: zerstörte Infrastruktur, kaputte Schulen, Krankenhäuser, Flughäfen, Brücken und E-Werke. 25 Millionen Jemeniten - das sind knapp 80 Prozent der Bevölkerung - sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Zehntausende Menschen kamen durch Hunger, Seuchen und saudische Waffen ums Leben.

Der Iran unterstützt die Huthis. Darüber, wie umfangreich die Hilfe Teherans ist, gehen die Einschätzungen weit auseinander - zumal die Anti-Huthi-Koalition die meisten Zugänge nach Jemen kontrolliert. Die Annahme, der Iran helfe den schiitischen Huthis vor allem aus religiösen Gründen, greift zu kurz. Die meisten Huthis gehören innerhalb der Schiiten zu den sogenannten Zaiditen - und die stehen sunnitischen Rechtsschulen theologisch deutlich näher als den Schiiten Irans.

Saudi-Arabien hat sich verkalkuliert

Teheran unterstützt die Huthis aus reinem Machtkalkül. Zum einen baut der Iran damit an der Südgrenze Saudi-Arabiens eine potenzielle Drohkulisse gegenüber Riad auf. Zum anderen war der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman - der gleichzeitig auch Verteidigungsminister ist - dumm genug, aktiv in den Krieg im Jemen einzugreifen und damit sein Land in eine extrem prekäre Lage zu bringen.

Das amerikanische Wilson-Center hat die Kosten für die von Saudi-Arabien geführte Anti-Huthi Koalition in einer Studie Ende 2015 auf täglich rund 200 Millionen Dollar geschätzt. Den Löwenanteil an den Kriegskosten trägt Saudi-Arabien. In dem viereinhalbjährigen Waffengang ist es Riad trotz immenser Ausgaben nicht gelungen, die Huthis zu besiegen und damit den Einfluss Teherans im Süden der Arabischen Halbinsel zurückzudrängen.

Asymmetrische Kriegsmittel

Es ist sehr gut vorstellbar, dass iranische Ingenieure und Militärtechniker an der Konstruktion der Drohnen beteiligt waren, die im saudischen Churais und Abkaik größtmöglichen Schaden angerichtet haben. Saudi-Arabiens Ölexporte werden auf Wochen um gut die Hälfte auf noch gut fünf Millionen Fass am Tag reduziert. Damit gehen auch Riads Öleinnahmen erheblich zurück. Gleichzeitig wird die Verwundbarkeit des hochgerüsteten Saudi-Arabien überdeutlich. In den vergangenen Jahren hat Saudi-Arabien für Hunderte von Milliarden Dollar hochmoderne Waffen gekauft, mit denen es erstens keinen schnellen Sieg im Jemen erringen und zweitens das Land wiederholt nicht vor feindlichen Angriffen schützen konnten.

Teheran setzt auf asymmetrische Kriegsmittel. Die iranische Führung dürfte sich bei aller menschenverachtenden Selbstüberschätzung darüber im Klaren sein, dass ihr Land der geballten Feuerkraft der USA und deren Verbündeten im Nahen Osten nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hat. Deshalb unterhält Teheran verbündete Milizen im Libanon (Hisbollah), im Irak (Hashd al-Sha’abi, Badr-Brigaden) und im Jemen, mit denen der Iran gewaltige Unsicherheit schüren und gegebenenfalls militärischen Druck aufbauen kann.

Der Iran hat nichts zu verlieren

Dass Teheran trotz unterlegener konventioneller Feuerkraft militärisch nicht zu unterschätzen ist, hat auch der Abschuss der amerikanischen Spionagedrohne vom Typ RQ-4A "Global Hawk" im Juni gezeigt. Der Iran steht wirtschaftlich am Rande des Abgrunds und hat nichts zu verlieren.

Hinzu kommt: Die iranische Führung hat weitaus weniger Skrupel als die US-Administration, wenn es um Blutzoll in einem möglichen Krieg geht. Donald Trump steht ein Wahlkampf bevor, in dem Särge mit gefallenen US-Soldaten eine sehr negative Wirkung entfalten könnten. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 16. September 2019 um 20:00 Uhr.