Israelische Soldaten im Kibbutz Beeri.
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Verteidigung gegen Terroristen Wie stark sind Israels Streitkräfte?

Stand: 27.10.2023 19:58 Uhr

Jahrzehntelange Kampferfahrung und starke internationale Verbündete haben Israels Streitkräfte widerstandsfähig gemacht. Doch auch seine hochgerüsteten Gegner verfügen über beachtliche Ausstattung und Unterstützung. Die wichtigsten Größen im Überblick.

Die Israelischen Streitkräfte (IDF) wurden 1948 zwei Wochen nach dem Staat Israel gegründet. Sie haben die Aufgabe, das im Nahen Osten erklärtermaßen von Feinden umgebene Land zu verteidigen. Da Israels teils zahlenmäßig überlegene Gegner dem Land das Existenzrecht absprechen, geht es aus israelischer Perspektive in jedem Konflikt um das Überleben des eigenen Staates.

Ihre Schlagkraft haben Israels Streitkräfte bislang unter anderem im Sechstagekrieg, dem Jom-Kippur-Krieg und den Libanonkriegen unter Beweis gestellt. Vom Angriff durch Hamas-Terroristen am 7. Oktober wurden Geheimdienst und Militär jedoch überrascht - entsprechend umfangreich ist die Mobilisierung der eigenen Streitkräfte.

Ausstattung in Zahlen

In Israel gilt eine allgemeine Wehrpflicht mit wenigen Ausnahmen - junge Männer müssen laut Webseite der Israelischen Streitkräfte 32 Monate dienen, junge Frauen 24 Monate. Bei einer Bevölkerung von 9,4 Millionen Menschen kommt das Land damit nach Zahlen des "Global Firepower Index" auf etwa 465.000 Reservistinnen und Reservisten zusätzlich zu 173.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten. Das International Institute for Strategic Studies (IISS) beziffert die Kapazitäten auf 169.500 aktive Soldatinnen und Soldaten sowie 400.000 Reservisten und Reservisten, von denen 90 Prozent nach dem Angriff der Hamas mobilisiert worden seien. Eine wichtige Rolle kommt außerdem Spezialeinheiten zu, die auf weitere 8.000 Einsatzkräfte zurückgreifen können.

Zum israelischen Arsenal gehören nach Angaben des "Global Firepower Index" unter anderem 241 Kampfflugzeuge, darunter der F-35-Tarnkappenjäger, etwa 56.290 gepanzerte Fahrzeuge, 2.200 Kampfpanzer und 7 Korvetten sowie 45 Patrouillen- und 5 U-Boote.

Militärbudget

Nach Angaben des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) gab Israel 2022 23,4 Milliarden US-Dollar für Rüstung aus - und steht damit auf Platz 15 der Nationen mit den höchsten Militärausgaben, die laut SIPRI von Israels Verbündetem USA angeführt wird.

Iron Dome

Mit der "Eisenkuppel" ("Iron Dome"), einem Abwehrsystem gegen Raketen, Artillerie und Mörsergranaten, verfügt Israel über eine der technologisch fortschrittlichsten Verteidigungsanlagen der Welt. Zur Abwehr von Lang- und Mittelstreckenraketen gibt es die Systeme "David's Sling" sowie "Arrow" 2 und 3. Mit der Flugabwehr können Geschosse aus Gaza, dem Libanon und Iran vollautomatisch lokalisiert, anvisiert und neutralisiert werden. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel wollen die Streitkräfte nun auch beginnen, das mit Laser arbeitende System "Iron Beam" einzusetzen, das Drohnen und Geschosse von einer für "Iron Dome" zu nahen Reichweite abwehren kann.

Nukleare Bewaffnung

Zwar hat Israels Regierung nie öffentlich bestätigt, eine Nuklearmacht zu sein, jedoch haben Politiker des Landes in der Vergangenheit - ob versehentlich oder absichtlich - immer wieder entsprechende Andeutungen geäußert. Auch aus Daten unabhängiger Beobachter wie SIPRI geht hervor, dass Israel über circa 80 bis 90 Atom-Sprengköpfe verfügt. Im Vergleich zu Nuklearmächten wie den USA und Russland sind diese Kapazitäten allerdings gering, ihr Einsatz im aktuellen Konflikt jenseits des Drohpotenzials ist unwahrscheinlich.

Internationale Hilfe

Der wichtigste militärische Verbündete sind die USA, die Israel bis 2028 jährlich 3,8 Milliarden US-Dollar an Militärhilfen zur Verfügung stellen. Nach dem Überfall der Hamas haben die USA zusätzlich Munition geliefert und zwei Flugzeugträger ins Mittelmeer entsandt - die "USS Gerald Ford" und die "USS Eisenhower". US-Verteidigungsminister Lloyd Austin kündigte an, eine Batterie des amerikanischen Flugabwehrsystems THAAD sowie "Patriot"-Einheiten in der Region zu stationieren. 2.000 US-Soldaten halten sich derzeit für einen Einsatz im Nahen Osten bereit.

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte: "Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson" - und dass Deutschland entsprechend handeln werde. Bislang besteht dieses Handeln in einem verstärkten Engagement der Bundesregierung in der Krisendiplomatie mit anderen Staaten des Nahen Ostens.

Auch die NATO-Verteidigungsminister haben Israel die Solidarität des Bündnisses zugesichert - wie konkret die Unterstützung im Ernstfall ausfallen könnte, ist jedoch unklar, da sich Israel in einer Position wiederfinden könnte, in der es mit der durch NATO-Waffenlieferungen unterstützten Ukraine um Ressourcen konkurriert.

Stärke der Gegner

Unter den Staaten im Nahen Osten ist der Iran Israels stärkster militärischer Gegner - den reinen Zahlen nach wäre er Israel außer in der Flugabwehr überlegen. Die Parteiergreifung für die Palästinenser ist Teil der iranischen Staatsdoktrin. Irans Führung setzt die Terrorgruppe Hamas mit der Sache der Palästinenser gleich. Entsprechend drohte Außenminister Hossein Amir-Abdollahian, die Region werde "außer Kontrolle geraten", wenn die USA und Israel ihr Vorgehen im Gazastreifen nicht beendeten. Westliche Beobachter halten die tatsächliche Gefahr, dass der Iran direkt in den Krieg eingreift, für nicht so hoch, verweisen aber auf die Unterstützung Teherans für die Hamas und die Hisbollah.

Letztere sind bewaffnete Gruppen, die mit der Unterstützung mit Israel verfeindeter Staaten hochgerüstet werden oder sich zu quasi-staatlichen Parallelstrukturen entwickelt haben, etwa im Libanon. Die Hamas beziehungsweise ihr bewaffneter Arm, die Al-Kassam-Brigaden, umfassen nach Angaben des IISS 15.000 Mann, arabische Medien sprechen von 40.000 Kämpfern. Sie verfügen über schwere Waffen und haben auch Handfeuerwaffen und Sturmgewehre aus China und anderen Regionen. Im von ihr kontrollierten Gazastreifen stellt die radikale Palästinenserorganisation zudem Sprengstoff und technisch simple Raketen her. Genaue Zahlen über das Waffenarsenal der Hamas gibt es nicht; westliche Quellen gehen aber davon aus, dass die Hamas genügend Drohnen, Minen, Panzerabwehrraketen, Granatwerfer und Mörsergranaten hat, um einen Kampf lange Zeit durchzuhalten.

An der Grenze zwischen Israel und dem Libanon gibt es seit dem 7. Oktober immer wieder Gefechte mit der Hisbollah. Die Schiitenmiliz zwinge mit ihren Angriffen Israel, Soldaten und Gerät an seiner Nordgrenze zu halten, analysiert das Soufan Center, ein US-Thinktank. 2021 behauptete die Hisbollah, 100.000 Kämpfer zu haben. Das israelische Institute for National Security Studies (INSS) geht von einer halb so großen Anzahl aus. Es schätzt das Arsenal der Hisbollah auf 150.000 bis 200.000 Raketen und Flugkörper aller Art, darunter "hunderte von Präzisionsraketen". Bei einem Manöver im Mai zeigte die Hisbollah auch Waffensysteme aus dem Iran, Syrien, Russland und China.