Johnsons Brexit-Vorschläge Verlängerung für Brüssel kaum abwendbar
Selbst wenn aus London noch ein tragfähiger Vorschlag kommen sollte: Ein Brexit-Deal bis zum 31.10. scheint kaum mehr möglich. Eine Verlängerung der Verhandlungen wird für viele in Brüssel zur einzigen Option.
Fest steht, dass die bisher in Brüssel von der britischen Regierung eingereichten Vorschläge für einen Deal nicht reichen. Boris Johnson habe - wie von der EU gewünscht - vor einigen Tagen schriftliche Vorschläge der britischen Regierung in Brüssel eingereicht, betonte der Brexit-Chefunterhändler der EU-Kommission Michel Barnier gestern in Paris. Und in den letzten Tagen habe man diese Vorschläge mit dem kompetenten und professionellen Verhandlungsteam der Briten besprochen.
Kein Vorankommen
Aber, so Barnier, auf Basis der von Johnson vorgelegten Vorschläge sehe er nicht, wie man bei den Verhandlungen weiterkommen solle. Jedenfalls nicht auf der Basis des Verhandlungsmandates welches ihm die 27 EU-Staaten und das europäische Parlament erteilt hätten, sagte der Brexit-Chefunterhändler der EU-Kommission.
Denn Johnsons Vorschläge sehen eine Zollgrenze zwischen Irland und Nordirland vor. Und diese Zollgrenze will die EU vermeiden, um den Friedensprozess in Nordirland nicht zu gefährden und die Ziele des Karfreitagsabkommens zu erhalten. Die EU verlangt eine unbefristete Rückversicherung, dass die irische Insel niemals von einer EU-Außengrenze geteilt wird.
Johnson akzeptiert diese unbefristete Rückversicherung namens "Backstop" nach wie vor nicht. Stattdessen soll Nordirlands Parlament alle vier Jahre entscheiden, ob man weiterhin die EU-Regeln und Standards akzeptiert. Dieser Vorschlag wiederum ist für die EU inakzeptabel. "Für einen Deal braucht man mindestens zwei", lautet Barniers Botschaft an London.
"Kein Deal wäre nicht die Wahl Europas"
Man erwarte dass Johnsons Unterhändler die Bedenken der EU-Kommission und Irlands ernstnehmen und mit neuen Vorschlägen in dieser Woche nach Brüssel zurückkehren. Die EU ist bereit, über neue britische Vorschläge zu verhandeln. Denn was 26 Tage vor dem Austrittsdatum auf dem Brüsseler Verhandlungstisch liegt, macht ein Austrittsabkommen laut Barnier "sehr schwierig". "Kein Deal wäre nicht die Wahl Europas. Das wäre die Wahl des Vereinigten Königreiches, nicht unsere", so Barnier. Er wünsche einen Vertrag. Er sei möglich, aber sehr schwierig.
Nach Einschätzung von EU-Diplomaten in Brüssel reicht die Zeit nicht mehr aus, um bis zum 31. Oktober noch zu einem Deal zu kommen, diesen in die 24 Amtssprachen der EU zu übersetzen und vom europäischen und britischen Parlament ratifizieren zu lassen. Deshalb wird es nach ihrer Einschätzung beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober nicht mehr um einen Austrittsvertrag gehen sondern um eine Verlängerung der Verhandlungen.
Sowohl Angela Merkel als auch Emmanuel Macron sind für eine Verlängerung der Verhandlungen. Weil die EU andernfalls eine harte Außengrenze zwischen der zu ihr gehörenden Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland ziehen müsste, um den Binnenmarkt zu schützen. Also genau jene Außengrenze, welche die EU unbedingt verhindern will, um den Frieden in Nordirland nicht zu gefährden. Durch Grenzposten die von Polizei und Militär geschützt werden müssten und zum Ziel von Anschlägen werden könnten.
Tritt Johnson zurück?
Umstritten unter den EU-Diplomaten in Brüssel ist nur noch, ob Johnson sein Wort bricht und die Verlängerung der Brexit- Verhandlungen beantragt. Oder ob er vorher zurücktritt und einem Übergangspremier diesen Antrag überlässt, um dann als Brexit-Verfechter in die Neuwahl zu gehen. Als Politiker, der lieber Downing Street Number 10 verlässt als sein Versprechen an die Briten zu brechen, am 31. Oktober die EU zu verlassen.