EU-Sondergipfel zur Kaukasus-Krise Zwischen hartem Gang und mäßigenden Tönen
Auf einem Sondergipfel bemühen sich die EU-Staaten um eine gemeinsame Haltung gegenüber Moskau. Das russische Vorgehen gegen Georgien soll verurteilt werden, auf Sanktionen verzichtet die EU aber vorerst. EU-Ratspräsident Sarkozy dringt darauf, dass der Sechs-Punkte-Plan eingehalten wird.
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Die französische EU-Präsidentschaft hat den rund dreistündigen Sondergipfel einberufen. Und es wird vor allem von ihrem Geschick abhängen, dass der Gipfel nicht in Peinlichkeiten endet. Allein durch die Einberufung dieses Krisentreffens sind beachtliche Erwartungen geschürt worden. Bei nüchterner Betrachtung zeigt sich jedoch, dass der Handlungsspielraum der Europäer nicht besonders groß ist. Und dazu kommt, dass verschiedene Staats- oder Regierungschefs sich in den letzten Tagen sehr unterschiedlich darüber geäußert haben, wie hart man Russland anpacken sollte.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy muss als EU-Ratsvorsitzender all dies auf eine Linie bringen, um den Eindruck zu verhindern, man hätte sich dieses Treffen auch sparen können. Einig ist man sich darin, dass das Vorgehen Russlands in Georgien verurteilt werden muss - vor allem der nicht vollständige Abzug russischer Truppen und die einseitige Anerkennung von Südossetien und Abchasien durch Moskau. Dies nämlich widerspricht dem sogenannten Sechs-Punkte-Plan, den Nicolas Sarkozy als EU-Vorsitzender mit Georgien und Russland ausgehandelt hatte.
Moskau hat diese Vereinbarung missachtet und Sarkozy damit brüskiert - und die EU wird heute nachdrücklich darauf bestehen, dass der Sechs-Punkte-Plan umgesetzt wird. Moskaus einseitigen Vorstoß geißelte nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf: "Dieses widerspricht nach meiner Auffassung dem Prinzip der territorialen Integrität, einem grundlegenden Prinzip des internationalen Völkerrechts und ist deshalb absolut nicht akzeptabel", sagte die Kanzlerin.
Sanktionen - und wenn ja, welche?
Die territoriale Unverletzlichkeit Georgiens wird der EU-Sondergipfel bekräftigen - und weiß doch, dass Russland hier Fakten geschaffen hat. Als Wiedergutmachung wird man Georgien Wiederaufbauhilfe versprechen. Die französische Präsidentschaft, konkret Außenminister Bernhard Kouchner, hatte selbst das Stichwort "Sanktionen" eingebracht: "Sanktionen seien wie andere Maßnahmen auch von manchen ins Auge gefasst worden", sagte Kouchner.
Diese Geister, die sie riefen, werden die französischen EU-Vorsitzenden kaum mehr los. Als Reaktionen kamen immer neue Vorschläge, wie solche Sanktionen aussehen könnten. Zuletzt räumten französische Diplomaten ein, auf diesem Sondergipfel würden Sanktionen wohl zunächst nicht beschlossen. Am wahrscheinlichsten ist noch, dass die gerade erst begonnenen Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland ausgesetzt werden. In der EU weiß man aber auch, dass die Europäer an einem solchen Abkommen mehr Interesse haben müssten als Moskau.
Unterschiedliche Positionen in der EU
Einige EU-Staaten wie Großbritannien, Polen und die baltischen Republiken wollen heute eine Botschaft, die Russland beeindruckt. Andere, allen voran Deutschland, plädieren für den Dialog. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte gestern fast leidenschaftlich, er wolle dafür "dass nach soviel Leichtfertigkeit auf allen Seiten die Eskalationsspirale schnellstmöglich gestoppt wird. Mein Appell: macht endlich Schluss mit der täglichen Scharfmacherei!" Doch Moskau sei jetzt am Zuge, die EU warte auf ein Signal, heißt es in Brüssel.
Wenigstens verbal haben Staatspräsident Dimitri Medwedjew und Ministerpräsident Wladimir Putin am Wochenende deutlich gemacht, dass sie an einer neuen Eiszeit kein Interesse hätten. Fast gnädig kam der Hinweis, man denke auch nicht daran, Energielieferungen nach Westeuropa zu drosseln.