Ukraine-Krieg Raketenangriffe auf Kiew
Es ist der schwerste Angriff auf Kiew seit Wochen: Russland hat laut ukrainischen Angaben zwei Stadtteile mit Raketen beschossen. Im Kampf um Sjewjerodonezk melden die Ukrainer Erfolge.
Russland hat nach Angaben des ukrainischen Generalstabs am Morgen die Hauptstadt Kiew und einen Vorort erneut mit Raketen beschossen. Es seien militärische und zivile Infrastruktur getroffen worden, teilte die Militärführung in Kiew mit.
Auch Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko berichtete in seinem Telegram-Kanal von Explosionen. Betroffen waren demnach die Stadtbezirke Darnyzja im Südosten und Dnipro im Westen der Millionenmetropole. Es gebe nach bisherigem Stand einen Verletzten, der im Krankenhaus behandelt werde, aber keine Toten, sagte Klitschko. Einsatzkräfte waren demnach an Ort und Stelle.
Auch der bereits mehrfach beschossene Vorort Browary wurde Behörden zufolge von Raketen getroffen. In der Region des Kiewer Vororts Obuchiw wurde den Militärangaben zufolge eine russische Rakete abgeschossen. Das genaue Ausmaß der Schäden ist noch unklar.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Schwerster Angriff seit Wochen
In sozialen Netzwerken veröffentlichten Menschen Bilder und Videos von Bränden und Rauchwolken. Auch Geräusche von Einschlägen waren zu hören. Am Morgen hatte es langen Luftalarm gegeben. Es handelte sich um den schwersten Angriff auf die Hauptstadtregion seit Wochen
Im Bezirk Darnyzki im Osten der Hauptstadt stieg Rauch aus den verkohlten Trümmern eines Lagerhaus-artigen Gebäudes auf, Soldaten und Polizisten sperrten eine dorthin führende Hauptstraße ab sowie eine Straße, die zu einem Güterbahnhof führt.
Russen setzen Offensive im Osten fort
Im Osten der Ukraine setzten russische Truppen ihre Offensive mit Raketen- und Luftangriffen in der Region Luhansk fort. Gouverneur Serhij Hajdaj erklärte auf Telegram, Hubschrauber hätten Luftangriffe in den Gegenden Girske und Myrna Dolyna geflogen, Flugzeuge hätten Ustyniwka angegriffen.
Die Stadt Lyssytschansk sei von einer Rakete getroffen worden. Dort seien fünf Häuser beschädigt worden, in Girske 13. Ein weiterer Luftangriff wurde aus der Stadt Kramatorsk gemeldet. Todesopfer gab es nach Angaben von Bürgermeister Oleksandr Gontscharenko nicht, zwei Unternehmen der Stadt seien aber stark beschädigt worden.
Der ukrainische Generalstab beschuldigte Russland, in der Region Charkiw im Bereich des Dorfs Tscherkaski Tyschky Phosphormunition eingesetzt zu haben. Die Angabe konnte nicht unabhängig überprüft werden.
Der ukrainische Atomenergiekonzern teilte mit, dass eine russische Rakete gefährlich nah am Südukrainischen Kernkraftwerk bei Juschnoukrajinsk geflogen sei. Die russische Angreifer begriffen "immer noch nicht, dass schon ein kleines Raketenstück, das in einen funktionierenden Energieblock einschlagen kann, zu einer atomaren Katastrophe und Austreten von Strahlung führen kann", teilte die Behörde mit. Sie warf Russland "atomaren Terrorismus" vor.
Gouverneur: Sjewjerodonezk in zwei Hälften geteilt
Zudem setzten russische Truppen ihre Angriffe in Sjewjerodonezk in der Region Luhansk fort. Die Russen kontrollierten demnach aktuell den östlichen Teil der Stadt und versuchten, die ukrainischen Truppen einzukreisen und die wichtigsten logistischen Routen zu blockieren.
Der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, erklärte: "Es war eine schwierige Situation. Die Russen haben 70 Prozent der Stadt kontrolliert, aber in den vergangenen zwei Tagen sind sie zurückgedrängt worden", sagte er im ukrainischen Fernsehen. "Die Stadt ist jetzt mehr oder weniger in zwei Hälften geteilt."
Britischer Geheimdienst: Schlecht ausgerüstete Reservetruppen
Das britische Militär erklärte in seinem täglichen Geheimdienstbericht, die ukrainischen Gegenangriffe in Sjewjerodonezk nähmen den russischen Truppen vermutlich viel von der "operativen Stoßkraft", die diese durch die Konzentration von Kampfeinheiten und Feuerkraft zuvor gewonnen hätten.
Das russische Militär stütze sich teilweise auf Reservetruppen aus der Region Luhansk. Diese Truppen seien schlecht ausgerüstet und ausgebildet, ihnen fehle es im Vergleich zu regulären Einheiten an schwerem Gerät, hieß es in dem Lagebericht. Hintergrund sei vermutlich der Wunsch, Verluste regulärer russischer Truppen zu begrenzen.
Donbass bisher nicht unter Kontrolle Russlands
Seit einigen Wochen forciert die russische Armee ihre Offensive im Donbass. Es ist Russland bislang nicht gelungen, die beiden Regionen Luhansk und Donezk, die den Donbass bilden, vollständig einzunehmen.
Sollte das russische Militär Sjewjerodonezk und seine Zwillingsstadt Lyssytschansk auf der anderen Seite des Flusses Siwerskji Donez einnehmen, hätte es die Region Luhansk vollständig unter Kontrolle. Der russische Präsident Wladimir Putin hätte damit ein wichtiges Ziel erreicht.