Ein Jahr nach der Krim-Annexion Welche Fehler machte die EU?
Die einen werfen der EU vor, bei der Annäherung an die Ukraine nicht genug Rücksicht auf Russland genommen zu haben. Die anderen finden, Europa habe zu zögerlich auf die Annexion der Krim reagiert.
Einem hochrangigen EU-Politiker ein offizielles Geständnis zu entlocken, dass vor der Krim-Annexion durch Russland die Europäer selbst auch Fehler in ihrer Ukraine-Politik gemacht haben, ist so gut wie unmöglich: "Den Fehler haben diejenigen gemacht, die unter Außer-Acht-Lassung des Völkerrechts die Krim annektiert haben.", lautet die Antwort des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier auf Nachfrage des ARD-Hörfunks.
"Die EU hat Russland unterschätzt"
Nicht wenige Russland-Experten hingegen meinen: Putin habe die EU mit seinem schnellen und aggressiven Handeln vor einem Jahr zumindest auf dem falschen Fuß erwischt: "Die EU hat Russland unterschätzt, meint Amanda Paul von der Brüsseler Denkfabrik "European Policy Center". "Sie hat sich ein ganzes Jahrzehnt lang eingeredet, dass Moskau sich modernisieren und demokratisieren wolle. Sie hätte etwas genauer hinhören sollen, als Länder wie Polen oder die Balten warnten. Dann wäre die EU besser vorbereitet gewesen auf das, was da vor einem Jahr über sie hereinbrach."
"Nichts davon war ein Geheimnis"
Wenn das stimmt, dann stellt sich noch immer die Frage: Was hätte die EU eigentlich tun sollen oder können? Sie hätte mehr auf russische Einkreisungs-Ängste Rücksicht nehmen und Moskau besser informieren sollen über das geplante Partnerschaftsabkommen mit der Ukraine, so lautet ein gängiger Vorwurf. Steinmeier kontert: "Ich glaube, nichts davon war im Kern ein Geheimnis - erst recht nicht gegenüber Russland."
In diesem Punkt gibt Osteuropa-Expertin Paul dem deutschen Außenminister Recht: Reden mit Moskau sei stets richtig und wichtig. Zugleich habe Russland die Ukraine-Schriftsätze vermutlich besser gekannt als die meisten EU-Politiker. Dass sich die Ukraine heimlich und auf Zehenspitzen in Richtung Europa geschlichen habe, will die EU also nicht gelten lassen.
"Wischi-Waschi-Antwort auf Krim-Einnahme"
Jenseits der Frage, ob sich Europa vor der Krim-Annexion richtig verhalten habe, stellt sich auch die, wie es mit der europäischen Reaktion danach aussah: "Die Antwort auf die Einnahme der Krim fiel eher 'Wischi-Waschi' aus", urteilt die Expertin Paul. "Wenn die EU sofort harte Wirtschafts-Sanktionen verhängt hätte anstelle von sehr, sehr weichen Maßnahmen gegen Einzelpersonen, dann hätte das Einfluss auf Russlands Handeln haben können bezüglich eines weiteren Eindringens in den Rest der Ukraine." Sanktionen, die schmerzten - und wirkten - beschloss die EU im Sommer des vergangenen Jahres nach dem Absturz einer Passagiermaschine über dem von russischen Separatisten kontrollierten Gebiet.
Könnten noch schmerzhaftere und noch wirksamere Maßnahmen gerade jetzt helfen, die Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens für die Ostukraine zu beschleunigen? Das ist die Frage, vor der die Europäer heute stehen. Doch es gibt mittlerweile ein paar EU-Staaten, die ganz offen sagen: Weitere Sanktionen - nicht mit uns. Je härter die Maßnahmen, um die es geht - so die Faustregel -, umso härter wird auch die Debatte innerhalb der EU geführt.
Aus Sicht des Kreml dürfte hingegen eine andere Faustregel gelten: Für Moskau ist nur ein gespaltenes Europa ein gutes Europa.