Präsidentschaftswahl in Kroatien Zwölf Kandidaten ohne Mehrheit
Die Kroaten haben über einen neuen Präsidenten abgestimmt. Nach ersten Prognosen konnte keiner der zwölf Bewerber die absolute Mehrheit erreichen, so dass es im Januar zu einer Stichwahl zwischen Sozialdemokrat Josipovic und Herausforderer Bandic kommen könnte.
Von Andrea Mühlberger, ARD-Hörfunkstudio Südosteuropa
Dürften die Kroaten sich wünschen, mit welchem Präsidenten sie in naher Zukunft der EU beitreten, sie würden mit breiter Mehrheit für Stipe Mesic stimmen. Der stoppelbärtige Polit-Charmeur war rund zehn Jahre lang das Aushängeschild der Adria-Republik. Und im Gegensatz zu seinem nationalistischen Vorgänger Franjo Tudjman war es ein Gesicht, das Kroatien durchaus gewisse Sympathien im Ausland einbrachte.
Mit Stipe Mesic aus der Isolation
Stipe Mesic dampfte die umfassenden Vollmachten, mit denen der autoritäre Tudjman sich und sein Amt ausgestattet hatte, auf parlamentarisches Normalmaß ein. Und er führte Kroatien nach den Balkankriegen wieder aus der Isolation, so der Zagreber Politikwissenschaftler Nenad Zakosek: "In Zusammenarbeit mit der Regierung - zuerst mit der von Ivica Racan, ab 2003 auch mit der von Ivo Sanader - hat Stipe Mesic an der Integration Kroatiens in die europäischen und atlantischen Strukturen mitgearbeitet. Also sowohl die Mitgliedschaft in der NATO, als auch die Verhandlungen über den EU-Beitritt haben die volle Unterstützung von Mesic genossen."
Führte als langjähriger Präsident Kroatien auf den Weg Richtung EU: Stipe Mesic
Eine der wenigen Lichtgestalten
Der Überzeugungskünstler warf sein ganzes Charisma in die Waagschale, um noch den letzten EU-skeptischen Kroaten vom Brüsseler Weg zu überzeugen. In einem Land, dessen politische Klasse als zutiefst korrupt gilt, ist Stipe Mesic eine der wenigen Lichtgestalten. Nur darf der 75-jährige Politveteran nach zwei Amtsperioden als Präsident nicht mehr weitermachen. Und somit haben die Kroaten die Qual der Wahl: Zwölf Kandidaten - so viele wie noch nie und teilweise mehrere aus ein und derselben Partei - bewerben sich um die Nachfolge. Doch wirklich überzeugt sind die rund 4,4 Millionen Wahlberechtigten laut Umfragen von keinem Anwärter. Als relativ sicher gilt bisher nur die Stichwahl am 10. Januar.
Stichwahl unter Ex-Genossen?
Ivo Josipovic, Jurist und offizieller Kandidat der oppositionellen Sozialdemokraten (SDP) ist zumindest so populär, dass ihn mehrere kroatische Pop- und Rocksänger mit einem eigenen Song im Wahlkampf unterstützen. "Der Weg zum Glück" heißt das belanglose und ein bisschen kitschige Lied. Aber auch für Ivo Josipovic dürfte der Weg nicht einfach werden, obwohl der stramme Befürworter von Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung in Umfragen vorne liegt.
Läuft es ganz dumm, trifft der Sozialdemokrat Josipovic in der Stichwahl auf einen Ex-Parteigenossen: Milan Bandic, erfolgreicher wie hemdsärmeliger Bürgermeister von Zagreb, hat mit seiner Kandidatur im Alleingang die Parteispitze verärgert - und wurde kurzerhand rausgeschmissen. Seinen Hut hat er trotzdem in den Ring geworfen: als Anwalt der sozial Schwachen. In einem der langweiligsten Wahlkämpfe überhaupt - so zumindest das Urteil kroatischer Medien - hat Milan Bandic versprochen, sich für eine Abschaffung der Krisensteuer einzusetzen. Kroatien hatte diese Abgabe erst vor Kurzem wegen der globalen Finanzmisere eingeführt. "Durch diese Steuer wird armen Menschen der vorletzte Bissen vom Mund geraubt", wettert der Populist Bandic und punktet damit vor allem bei der von ihren korrupten Politikern enttäuschten Jugend Kroatiens.
...doch Konkurrenz bekommt er von seinem ehemaligen Parteigenossen und Zagrebs Bürgermeister Milan Bandic.
Die Regierungschefin und der Mann aus der Vergangenheit
Konkurrenz aus der eigenen Partei hat auch der offizielle Kandidat der regierenden HDZ, Andrija Hebrang. Der frühere Gesundheitsminister von Tudjmans Gnaden stammt aus dem extrem rechten Parteiflügel, dessen Mitglieder eine NATO- und EU-Mitgliedschaft für gewöhnlich deutlich skeptischer sehen, als es heute die Parteilinie der konservativen HDZ und Jadranka Kosor vorschreiben: Die neue Premierministerin ist seit diesem Sommer nicht nur Kroatiens erste Regierungschefin. Kosor ist auch die erste im Amt, die ernsthaft gegen Korruption in Politik, Justiz und Wirtschaft vorgeht, um die Beitrittsverhandlungen mit Brüssel endlich zu einem positiven Ende zu bringen. Dass die HDZ mit Andrija Hebrang im Grunde einen Mann der Vergangenheit ins Rennen geschickt hat, macht eigentlich wenig Sinn und hat zwei "Dissidenten" aus dem eigenen Lager zur Kandidatur ermutigt.
Präsidentensohn ohne Chance
Auf verlorenem Posten und ohne das demagogische Talent seines Vaters kämpft in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl Präsidentensohn Miroslav Tudjman. Der Nationalist fordert die Wähler auf, endlich die pro-europäische Politik von Stipe Mesic zu unterbrechen und den Ausverkauf Kroatiens an die EU zu stoppen. Abgesehen von ultrarechten Kreisen dürfte Miroslav Tudjman auf wenig Zustimmung stoßen: Kroatien hat in der Ära Mesic seine Marschrichtung geändert - in Richtung Brüssel. Weniger ein kroatischer Nationalismus, sondern vor allem weit verbreitete Korruption steht dem noch im Weg.