Beschädigte Autos am Ort des israelischen Angriffs in den südlichen Vororten von Beirut.

Libanon Welche Folgen haben die Angriffe für die Hisbollah?

Stand: 21.09.2024 12:53 Uhr

Erst explodierende Pager, dann Funkgeräte, nun der Angriff in Beirut. In der libanesischen Bevölkerung herrscht Verunsicherung, die Hisbollah droht mit Vergeltung für die Schläge. Aber wie geschwächt ist die Miliz?

Am Ort des Angriffs im Süden von Beirut versuchen Rettungskräfte, die Trümmer wegzuräumen und weitere Opfer zu bergen. Im Libanon gehen viele davon aus, dass die Zahl der Getöteten noch steigen wird.

Stimmen aus der libanesischen Bevölkerung vermitteln eine Mischung aus Verunsicherung, Ohnmacht und Wut. Ein älterer Mann sagt:

Israel begeht Kriegsverbrechen. Das erinnert uns an das Vorgehen in Gaza - jetzt geht es auch im Libanon los. Was die Israelis in den letzten drei Tagen getan haben, überschreitet alle rote Linien.

Erst waren Hunderte Pager explodiert, danach Funkgeräte - gestern dann das Bombardement eines Hochhauses im Süden von Beirut, wo sich offenbar mehrere hochrangige Hisbollah-Funktionäre versammelt hatten.

Überfall auf Israel geplant?

Die Schiitenmiliz gab in der Nacht und am Morgen nach und nach bekannt, welche ihrer Kommandeure bei dem israelischen Angriff getötet wurden. Der hochrangigste war Ibrahim Akil, der Chef der Elite-Einheit Radwan. Nach US-Angaben war Akil auch an der Bombardierung der amerikanischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt im Jahr 1983 beteiligt, die Regierung in Washington hatte auf den Terroristen ein Kopfgeld in Höhe von sieben Millionen Dollar ausgesetzt.

Der israelische Armeesprecher behauptete, Akil habe einen Überfall auf Israel geplant, ähnlich verheerend wie das Massaker der Hamas am 7. Oktober. Zu den Getöteten zählte nach Aussage der Hisbollah auch Ahmed Mahmud Wahbi, der nach dem 7. Oktober die militärischen Operationen der Hisbollah-Spezialkräfte geleitet habe.

"Abhängigkeit von einzelnen Personen abgebaut"

Die vom Iran mit Waffen und Geld unterstützte Hisbollah gilt als strikt hierarchisch organisierte Miliz. Wie sie darauf reagieren könnte, dass innerhalb kürzester Zeit zahlreiche ihrer Führungskader getötet wurden, ist ungewiss.

"Ich gehe davon aus, dass die Hisbollah die Abhängigkeit von einzelnen Personen abgebaut hat", sagt der libanesische Politikwissenschaftler Wassim Bazzi. "Sie stützt sich auf eine etablierte Organisation. Für jeden Verlust gibt es zwei oder drei Alternativen, die automatisch nachrücken."

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte vorgestern - also noch vor dem jüngsten Angriff - in einer Rede zugegeben, dass seine Miliz geschwächt sei. Er hatte Israel mit Vergeltung gedroht, ohne dabei konkret zu werden. Ein Ende der Angriffe der Hisbollah auf Israel könne es nur dann geben, wenn Israel mit seinen Attacken auf die Palästinenser in Gaza aufhöre, so Nasrallah.

Tote auf beiden Seiten

Seit letztem Oktober liefern sich die Hisbollah und die israelische Armee fast täglich Gefechte, vor allem in der libanesisch-israelischen Grenzregion. Seither hat Israel fast 500 Hisbollah-Mitglieder getötet - sowie nach Zählungen von Nachrichtenagenturen mehr als 150 Zivilisten. Auf israelischer Seite wurden bislang 24 Soldaten und 14 Zivilisten getötet.

Außerdem kamen Ende Juli zwölf Kinder bei einem Raketeneinschlag auf die von Israel besetzten Golanhöhen ums Leben. Israel und die USA machen die Hisbollah für diesen Angriff verantwortlich.