Auftakt des EU-Afrika-Gipfels Migranten in Libyen: Europas ungelöstes Problem
Nach sieben Jahren Pause findet in Lissabon heute wieder ein EU-Afrika-Gipfel statt. Vor allem die Flüchtlingsproblematik wollen die Europäer dabei behandeln. Mögliche Maßnahmen zeigt das Beispiel Libyen - mittlerweile Haupt-Transitland. Dort fährt man mit Hilfe aus Europa einen harten Kurs gegen Einwanderer.
Von Esther Saoub, ARD-Hörfunkstudio Kairo
Wenn Migranten aus Schwarzafrika nach Libyen kommen, haben sie meist eine Odyssee hinter sich. Wie Masud zum Beispiel, der vor zweieinhalb Jahren aus Ghana gekommen ist: "Ich bin über Niger, Burkina Faso, Togo und Mali bis nach Libyen gefahren", berichtet er. "Es hat einen Monat gedauert und ich habe viel Geld ausgegeben: 300 Dollar. In Ghana kannst du nur leben, wenn du Geld verdienst. Hier ist es besser, deshalb kommst du nach Libyen."
Mindestens zwei Millionen illegale Migranten leben derzeit in Libyen, das ist ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Rissie hat sieben Monate gebraucht, um von Nigeria nach Libyen zu kommen. "Die Straßen sind schlecht und es gibt immer wieder Patrouillen", erzählt sie von ihrer Reise. "Gaddafi sagt, er will keine Schwarzen in seinem Land. Es hat Kämpfe gegeben. Schließlich kamen wir nach Tripolis." Rissie sagt, sie sei mit ihrem Mann gekommen, doch der sei jetzt in Italien. "Ich habe einen Job gefunden und dann ein Baby bekommen. Aber meine Tochter habe ich nach Nigeria geschickt zu meinen Eltern. Sie ist jetzt zwei Jahre alt."
Integration überfordert das Land
Rissie arbeitet als Putzfrau, acht Stunden am Tag für 150 Euro im Monat. Die libysche Wirtschaft ist zwar seit Jahrzehnten auf Arbeiter aus dem Ausland angewiesen, doch die Aufgabe, zwei Millionen Illegale zu integrieren überfordert das Land. Seit einem Jahr trainiert daher die Internationale Organisation für Migration libysche Polizisten, Grenzpatrouillen, Beamten und Juristen. Finanziert werden die Projekte von der EU-Kommission und dem italienischen Innenministerium, also von denen, die mit allen Mitteln verhindern wollen, dass sich Afrikaner von Libyen aus nach Sizilien einschiffen.
Denn obwohl jedes Jahr Tausende im Mittelmeer ertrinken, ist die Überfahrt nach Europa nach wie vor der Traum vieler Flüchtlinge. "Ein Freund von mir ist rübergefahren, aber ob er angekommen ist weiß ich nicht", sagt Hassan. Die Überfahrt sei zwar sehr gefährlich, aber er wolle es versuchen. "Die Leute in Europa verstehen unsere Situation, sie sind freundlich. Hier nennt man die Schwarzen 'Sklaven', genau wie in Khartum. In Europa sagt niemand Sklave zu uns, sie verstehen, wie es uns geht."
60.000 Flüchtlinge in Gefängnissen
Illegale die aufgegriffen werden, landen meist in einem Auffang- oder Abschiebelager. Derzeit sind rund 60.000 Flüchtlinge in libyschen Gefängnissen interniert. Die Flüchtlingsorganisation Fortress Europa berichtet von unmenschlichen Bedingungen in Wüstenlagern wie dem bei Kufrah, in der nördlichen Sahara. Gebaut wurde es mit Geld aus Italien.
Nach einigen Jahren in Libyen werden viele Flüchtlinge von der Realität eingeholt. Auch Masud hat den Traum vom großen Geld in Europa längst aufgegeben: "Ich will zurück nach Ghana. Wenn ich es schaffe, ein bisschen Geld zu sparen, will ich zurück", sagt er. Die Wege nach Europa seien zu gefährlich. "So viele Leute sterben auf dem Meer. Ich will jetzt Geld verdienen und in mein Land zurück. Ich habe einen Sohn dort. Er ist vier Jahre alt und ich habe ihn über zwei Jahre nicht gesehen. Wann immer ich Arbeit habe schicke ich Geld nach Hause."
Hilfe bei der Rückkehr statt Abschreckung
Mit Wiedereingliede-rungspaketen unterstützt die Internationale Organisation für Migration Flüchtlinge wie Masud bei der Rückkehr in ihre Heimat, erzählt Laurence Hart, Büroleiter in Tripolis. "Wir haben einer Person die Ausstattung für einen DVD Laden in Niger finanziert, Nähmaschinen für Schneider in Mali, einen Friseursalon, ebenfalls in Mali. Wir haben Wasserpumpen bezahlt, ein Kamel für einen Sudanesen, ein Schweißgerät für einen Nigerianer, der im Baugeschäft arbeitet." Schon 1500 Menschen seien von der Organisation unterstützt worden. "Und wir verfolgen über unsere Büros in den Herkunftsländern, ob die Wiedereingliederung erfolgreich war."
1500 Rückkehrer sind ein Anfang, doch ein winzig kleiner. Unterdessen werden - mit Hilfe der Europäer - Libyens Wüstengrenzen weiter abgeriegelt, 2008 soll die europäische Grenzsicherungsfirma Frontex sogar in libyschen Gewässern patrouillieren dürfen. Die Festung Europa verschiebt ihre Außenmauern langsam bis in die Sahara.