Nach Misstrauensvotum May sucht ihren Plan B
Das Misstrauensvotum hat die britische Premierministerin May überstanden. Doch ein Plan B für den angestrebten Brexit fehlt ihr weiter. Am späten Abend traf sie sich mit Chefs von Oppositionsparteien.
Die britische Premierministerin Theresa May hat nach dem überstandenen Misstrauensvotum noch am Abend erste Gespräche mit den Chefs mehrerer Oppositionsparteien über das weitere Vorgehen in der Brexit-Frage geführt. "Ich glaube, dass es meine Pflicht ist, die Anweisung des britischen Volkes auszuführen, die EU zu verlassen, und ich habe vor, das zu tun", sagte sie am späten Abend in einer kurzen Ansprache vor dem Regierungssitz in London.
May ruft zur Zusammenarbeit auf
Sie verstehe, dass die Ereignisse der vergangenen 24 Stunden für die Menschen beunruhigend gewesen seien. Die Abgeordneten hätten klargemacht, was sie nicht wollten, sagte die Regierungschefin. "Wir müssen konstruktiv zusammenarbeiten, um abzustecken, was das Parlament will", ergänzte sie. Sie habe deshalb Politiker aller Parteien zu Beratungen eingeladen, um einen Weg für eine Lösung zu finden. "Es ist jetzt an der Zeit, unsere Privatinteressen beiseite zu legen", fügte sie hinzu und forderte das Parlament zur Geschlossenheit auf.
May kritisierte, dass Labour-Chef Jeremy Corbyn als Vertreter der größten Oppositionspartei dem Treffen ferngeblieben sei. Sie betonte zugleich: "Unsere Tür bleibt geöffnet." Corbyn will nach eigenen Worten erst Gespräche mit May führen, wenn die Premierministerin die "katastrophale Perspektive eines Brexit ohne Abkommen mit der EU ein für alle Mal" ausschließt. Im Vorfeld des Misstrauensvotums hatte Corbyn noch bedauert, dass es keine Mehrparteien-Gespräche gebe.
Montag muss May Plan B vorlegen
Nachdem das britische Unterhaus am Dienstag dem von May ausgehandelten Brexit-Abkommen mit der EU eine klare Absage erteilt hatte, steht die Regierungschefin nun unter massivem Druck. Sie hat bis Montag Zeit, um dem Parlament einen Plan B für den Brexit zu präsentieren. Noch ist völlig unklar, welchen Weg sie dabei vorschlagen wird, um den drohenden EU-Austritt Großbritanniens ohne Vertrag am 29. März noch zu verhindern. Die Gespräche mit der Opposition über das weitere Vorgehen will sie im Laufe des heutigen Tages fortsetzen.
Mehr als 70 Abgeordnete der Labour-Partei hatten gestern einen Brief unterzeichnet, in dem sie eine weitere Volksabstimmung mit der Option forderten, die Brexit-Entscheidung vom Referendum 2016 rückgängig zu machen. Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon sagte, ein zweites Referendum sei "die einzige glaubwürdige Option". Auch die proeuropäischen Liberaldemokraten im britischen Parlament sind dafür.
Neuwahlen vorerst vom Tisch
Die ebenfalls diskutierte Möglichkeit einer Neuwahl, für die sich Labour-Chef Corbyn zuletzt stark gemacht hatte, ist durch das Ergebnis des Misstrauensvotums am Mittwochabend vorerst vom Tisch. In der Abstimmung des Unterhauses hatte 325 Abgeordnete May und ihrer Regierung das Vertrauen ausgesprochen, 306 votierten gegen sie.