Neue Regeln für europäischen Telekommarkt Kritik an EU-Plänen zur Netzneutralität
Kein Blockieren und kein Drosseln mehr von Internetinhalten - das ist Teil eines Gesetzentwurfs, mit dem die EU die Netzneutralität regeln will. Zudem sollen Kunden, die mehr bezahlen, auch mehr Leistung bekommen. Kritiker sehen darin eine Wende zu einem Zwei-Klassen-Internet.
Die letzten Grenzen in Europa sollen fallen. Das hat sich Neelie Kroes auf die Fahnen geschrieben, die EU-Kommissarin für Telekommunikation. Wer im Ausland telefoniert, soll keine horrenden Roaming-Gebühren mehr zahlen müssen. Und auch das Internet soll barrierefrei bleiben, verspricht die Kommissarin: "Unsere Bürger brauchen faire Rechte und faire Verträge in der gesamten EU - inklusive dem Recht auf Netzneutralität."
Was Neelie Kroes allerdings mit "Netzneutralität" meint, daran scheiden sich die Geister. Normalerweise bedeutet es, alle Daten, die im Internet übertragen werden, werden gleichbehandelt. Kommerzielle Anbieter und Privatkunden sind also gleichberechtigt. Und jeder Netznutzer kann frei wählen, welche Dienste er in Anspruch nehmen will - von der Email bis zur Internettelefonie.
EU-Entwurf folgt Vorstellungen der Anbieter
Der Entwurf der EU-Kommissarin allerdings folgt in Sachen Netzneutralität eher den Vorstellungen der großen Telekommunikationsanbieter. Den Firmen ist es künftig erlaubt, eine mautpflichtige Überholspur im Netz einzurichten. Die Leistungen und die Kosten müssen für die Kunden nur transparent sein.
Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Branchenverbandes VATM, sieht darin einen guten Kompromiss: "Es geht nicht darum, dass wir damit Geld verdienen können. Es geht darum, dass auf der einen Seite den Unternehmen, die besondere Sicherheit und Schnelligkeit im Netz brauchen, in Zukunft erst einmal ein Angebot gemacht werden kann." Das sei wichtig für die gesamte deutsche Wirtschaft. "Und dann müssen wir dafür sorgen, dass die Netze auch hergeben, was die Kunden wünschen", sagt Grützner.
Wer mehr bezahlt, bekommt mehr Leistung. Davon profitieren alle, die große Datenmengen nutzen: Firmen wie Apple, die ihren Nutzern ausgelagerten Speicherplatz in der sogenannten Cloud anbieten. Aber auch Mediziner, die hochauflösende Bilder übertragen wollen.
Kritiker sprechen von Zwei-Klassen-Internet
Der Internetaktivist Markus Beckedahl sieht das kritisch. Er beklagt eine Wende hin zum Zwei-Klassen-Internet. Der Entwurf der EU-Kommission werfe eine ganz grundsätzliche Frage auf: "Ist das Internet eigentlich eine kommerzielle Internetstruktur? Oder ist es nicht vielleicht mittlerweile ein öffentliches Gut geworden, die grundlegende Infrastruktur unserer digitalen Kommunikation und damit auch quasi unserer Teilhabe an Demokratie und Gesellschaft?" Wenn dies der Fall sei, dann müsse man andere Regeln schaffen als für eine kommerzielle Infrastruktur.
Blockieren und drosseln soll verboten werden
Immerhin sieht der Gesetzesentwurf vor, Serviceanbietern zu untersagen, Internetinhalte willkürlich zu blockieren oder zu drosseln. Einer Studie zufolge ist das derzeit in Europa gang und gäbe. Außerdem sollen Kunden ihren Internetvertrag künftig kündigen können, wenn die Surfgeschwindigkeit geringer ist als versprochen. Dazu müssen die Firmen das Downloadtempo für die Kunden erst einmal offenlegen. All dies sind Teilerfolge der Kritiker, die im Vorfeld bemängelt hatten, das Gesetzespaket gefährde das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit und verstoße gegen die Grundrechte-Charta der EU.
Den neuen Regeln müssen aber vorher noch die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament zustimmen.