Kehrtwende in Hauptstadtfrage Australien revidiert Haltung zu Jerusalem
Australien ändert nach vier Jahren eine zentrale Position im Nahostkonflikt: Die Regierung erkennt West-Jerusalem nicht mehr als Hauptstadt Israels an. Sie wolle keinen Ansatz unterstützen, der die Aussicht auf eine Zwei-Staaten-Lösung untergrabe.
Australien macht die Anerkennung von West-Jerusalem als Hauptstadt Israels rückgängig. Das teilte die australische Außenministerin Penny Wong in Canberra mit. Sie gehört zur Labour-Regierung von Anthony Albanese, die seit Mai im Amt ist. Der frühere konservative Premierminister Scott Morrison hatte West-Jerusalem im Dezember 2018 als israelische Hauptstadt anerkannt. Die australische Botschaft wurde allerdings in Tel Aviv belassen. Die Botschaft sei immer in Tel Aviv gewesen und werde dort auch bleiben, hieß es nun in der Mitteilung.
"Heute hat die Regierung die frühere und langjährige Position Australiens bekräftigt, dass der endgültige Status von Jerusalem eine Frage ist, die im Rahmen von Friedensverhandlungen zwischen Israel und dem palästinensischen Volk gelöst werden sollte", hieß es von Außenministerin Wong. Australien stehe zu einer Zwei-Staaten-Lösung, in der Israel und ein zukünftiger Palästinenserstaat "in Frieden und Sicherheit" koexistierten.
Australiens Außenministerin Penny Wong teilte in der Hauptstadt Canberra mit, dass Australien die Anerkennung von West-Jerusalem als israelische Hauptstadt rückgängig macht.
Israel zeigt sich "tief enttäuscht"
Der israelische Ministerpräsident Jair Lapid kritisierte Australiens Entscheidung. Jerusalem sei "die ewige und vereinte Hauptstadt Israels, und daran wird sich nie etwas ändern", so Lapid laut Mitteilung seines Büros. "Wir können nur hoffen, dass die australische Regierung andere Angelegenheiten ernster und professioneller angeht." Auch das israelische Außenministerium zeigte sich laut örtlichen Medienberichten "tief enttäuscht" über die Entscheidung, die "aus kurzsichtigen politischen Erwägungen" resultiere. Im Laufe des Tages soll der australische Botschafter in Israel, Paul Griffiths, einbestellt werden.
Zustimmung kam unterdessen der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge von den Palästinensern. Hussein Al-Scheich, Sekretär des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), erklärte, man schätze die Aussage Australiens, dass die "Zukunft der Souveränität über Jerusalem von der dauerhaften Lösung auf der Grundlage internationaler Legitimität abhängt, die die Zwei-Staaten-Lösung ist".
Opposition kritisiert Entscheidung als "chaotisch"
Mit seinem Schritt von 2018, West-Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, hatte Ex-Premier Morrison die jahrzehntelange Nahostpolitik Australiens umgekehrt. Darüber hinaus hatte er sich dazu bekannt, einen künftigen palästinensischen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt zu akzeptieren - wenn eine dauerhafte Zwei-Staaten-Lösung erreicht sei. Palästinenservertreter hatten die Entscheidung damals scharf kritisiert. Israels Außenministerium hatte von "einem Schritt in die richtige Richtung" gesprochen.
Die konservative Opposition kritisierte die jetzige Entscheidung als "chaotisch". "Das Parlament ist dort (in Jerusalem), der Oberste Gerichtshof ist dort, der Premierminister lebt dort, der Präsident lebt dort. Für mich sieht es aus wie die Hauptstadt Israels. Ich weiß nicht, was die Labour-Partei nicht sehen kann", sagte Justizpolitiker Julian Leeser australischen Medien.
Einschneidender Schritt Trumps 2017
Im Jahr 2017 hatten die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt und ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Die Verlegung der US-Botschaft galt für Israelis als Meilenstein, Palästinenser werteten den Schritt dagegen als Affront.
Israel hatte Ost-Jerusalem 1967 im Sechs-Tage-Krieg besetzt, später annektiert und die gesamte Stadt zu seiner "ewigen und unteilbaren Hauptstadt" erklärt. Israel beansprucht somit ganz Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt. Die Palästinenser sehen den 1967 von Israel eroberten Ostteil dagegen als Hauptstadt eines künftigen eigenen Staates. Die israelische Annexion Ostjerusalems ist international nicht anerkannt. Die meisten Staaten - auch Deutschland - haben ihre Botschaft vor dem Hintergrund des ungelösten Konflikts nicht in Jerusalem, um dem möglichen Ergebnis von Friedensverhandlungen nicht vorzugreifen.