Entwicklungsbanken Die Guten im Zwielicht
Entwicklungsbanken weltweit nutzen Offshore-Strukturen für die Finanzierung ihrer Projekte. Hilfsorganisationen kritisieren, dass sie damit intransparent sind und zweifelhafte Praktiken unterstützen.
Den Inselstaat Mauritius kennt man hierzulande vor allem als Sehnsuchtsziel für sonnenhungrige Urlauber: Es locken traumhafte Sandstrände und tropisches Klima. Viele, die es sich leisten können, haben sich hier verlobt oder die Flitterwochen verbracht. In den vergangenen zehn Jahren verdreifachte sich aber auch die Anzahl einer gern gesehenen Einwohnergruppe im Inselstaat: die Millionäre. Sie genießen nicht nur das schöne Wetter der Insel, sondern auch die vorteilhaften Steuerregeln. Denn wer hier eine Auslandsfirma gründet, kann seinen Steuersatz bis auf drei Prozent runterrechnen - oder in bestimmten Fällen sogar auf null.
Aber offenbar wird in Mauritius auch viel über die Armen in der Welt nachgedacht. Zumindest scheint das so, wenn man sich Geldströme von Entwicklungsbanken anschaut. Denn die schicken Gelder für Projekte in Asien oder Afrika oft über die Tropeninsel. Hier machen die "Paradise Papers" ihrem Namen wieder alle Ehre, denn nach darin enthaltenen Dokumenten laufen auf Mauritius auch die Fäden eines Großprojekts zusammen, das eigentlich im afrikanischen Nigeria spielt.
Mauritius liegt vor Madagaskar im indischen Ozean.
Firmengeflecht offshore
In der Nähe der Millionenstadt Benin entsteht ein neues Gaskraftwerk - dort, wo auch Nigerias Hauptgaspipeline entlangläuft. Das Projekt ist groß und entsprechend sieht auch sein Unterstützerkreis von Geldgebern aus: Eine ganze Reihe internationaler Banken und Finanziers sind beteiligt, darunter auch Entwicklungsbanken wie die französische und die Deutsche Entwicklungsgesellschaft DEG. Fast 900 Millionen US-Dollar beträgt das Gesamtvolumen. Die Entwicklungsbanken und die anderen Geldgeber geben ihren Kredit letztlich an eine Firma in Nigeria - die gehört jedoch zum weitaus größten Teil einer Firma aus Mauritius. Und dahinter breitet sich ein weiteres Firmengeflecht im Inselstaat aus.
Mehr als 60 Entwicklungsbanken
Die DEG möchte sich zu dem Projekt konkret nicht äußern, weist aber darauf hin, dass viele von ihnen geförderte Unternehmen in Entwicklungsländern Steuern zahlen. Außerdem teilt sie uns mit: "Wenn hier die Nutzung so genannter Offshore Financial Centres (OFC) gemeint ist: Etablierte OFC verfügen über eine rechtliche Infrastruktur, die den Anforderungen von Investoren, die in Unternehmen in Entwicklungsländern mit oftmals wenig stabilen Rahmenbedingungen investieren wollen, in puncto Rechtssicherheit genügen." Sicherheit für Investoren, sonst steigen private Geldgeber nicht ein - diese Argument wiederholen so oder ähnlich viele Entwicklungsbanken, wenn man sie nach ihren Offshore-Aktivitäten fragt. Und die sind offenbar weit verbreitet: Wir finden insgesamt mehr als 50 Entwicklungsbanken in den "Paradise Papers", die über Strukturen in Mauritius, British Virgin Islands, Cayman Islands oder weiteren allgemein als Steuerparadiese bezeichneten Staaten arbeiten.
Detaillierter fällt die Antwort der afrikanischen Projektfirma aus, die für das Gaskraftwerk in Nigeria gegründet wurde. Der Tenor: Offshore sei sogar ein Muss für solche Projekte! Der erste wichtige Grund sei, dass man Versicherungsschutz gegen politische Risiken bei einer Institution der Weltbank erhalten wollte, denn ohne wäre die Finanzierung gar nicht zustande gekommen. Und die gebe es eben nur für grenzüberschreitende Projektfinanzierung. Die ganze Projektstruktur in Nigeria anzusiedeln, wäre vor dem Hintergrund also gar nicht möglich gewesen.
Steueroptimierung üblich
Und dann erklärt uns die Firma noch einen Grund, den die Entwicklungsbanken so nicht ansprechen: Auch steuerliche Gründe sprächen für den Inselstaat Mauritius, denn man sei auch gegenüber den staatlichen Offiziellen verpflichtet, das ganze Projekt so günstig wie möglich zu halten, also inklusive der Steuerlast. "Es ist die Standard-Forderung von Regierungen rund um die Welt [...], dass Entwickler bei ihrer Steuerplanung so effizient wie möglich sind, sie müssen sich bietende Steuerfreistellungen oder andere Anreize voll ausnutzen, so dass die Investitionshürde mit dem niedrigst möglichen Preis erreicht wird. Die Essenz: Je effizienter die Struktur, desto niedriger der Preis."
Die Offenheit überrascht. Und in der Branche scheint das auch ein offenes Geheimnis zu sein: Denn die Projektgesellschaft versichert, dass elf Entwicklungsbanken die Struktur abgesegnet hätten; zudem auch die nigerianische Regierung sowie die beteiligte Organisation der Weltbank. Die Steuerlast als wesentlicher Faktor bei internationalen Projekten wird von Entwicklungsbanken selbst aber nicht ins Feld geführt. Auch wenn Kritiker ihnen immer wieder vorgeworfen haben, dass sie mit Offshore-Finanzierungen solche Modelle unterstützen. Die Institute wiederholen gebetsmühlenartig, dass sie lediglich auf sichere "Jurisdiktionen" angewiesen sind, um das investierte Kapital zu schützen oder weiteres anzuziehen. Wie viel Gelder von Entwicklungsbanken über Offshore-Strukturen laufen, lässt sich nur schätzen. Weltweit könnten es jährlich Milliarden Dollars sein.
Kritik von Entwicklungshelfern
Es bleibt jedoch unklar, wie groß die Auswirkungen tatsächlich sind. Entwicklungsbanken sind meist genauso verschwiegen wie reguläre Banken, was die Details ihrer Geschäfte angeht. Und auch die "Paradise Papers" geben nur einen kleinen Einblick in diese Welt. Die DEG antwortet uns entsprechend: "Als Kreditinstitut ist die DEG an Bankgeheimnis und datenschutzrechtliche Bestimmungen gebunden. Zu internen Vorgängen bzw. einzelnen Investitionsvorhaben können wir uns daher nicht äußern."
Kritik daran, dass Entwicklungsbanken Offshore-Strukturen nutzen, gibt es unter anderem von Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam. Die Entwicklungs- und Nothilfeorganisation hat Investitionen einer Tochter der Weltbank (International Finance Corporation (IFC)) in der Subsahara-Region untersucht und auch hier starke Bezüge zu Steueroasen gefunden. Demnach hatten drei Viertel der Unternehmen in der Region, die im Jahr 2015 Kredite bekamen, Bezüge zu Steueroasen. Dadurch würden den Ländern der Region wichtige Einnahmen verloren gehen, kritisiert Oxfam.
Politische Rückendeckung
Die Bundesregierung unterstützt indes den Kurs der DEG. Das zeigt ihre Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion die Linke nach den Offshore-Finanzierungen der Deutschen Entwicklungsgesellschaft. Mitte vergangenen Jahres schreibt sie, die DEG orientiere sich in ihren Leitlinien an den OECD-Standards in Steuerfragen und deren Liste der als transparent eingestuften Länder. Dazu gehören aber eben Länder wie Mauritius, die aufgrund ihrer Niedrigsteuerpolitik als Steueroase gelten, ebensodie Cayman Islands oder Bermuda. Nur in weniger als zehn Ländern dürfe die DEG nicht investieren. Darunter sind der Libanon, Liberia und Vanuatu. Begründung: mangelnde Transparenz.