Streit zwischen Polen und EU "Beinahe wie einen Feind behandelt"
Im Streit mit der EU-Kommission über die Unabhängigkeit seines Verfassungsgerichts bleibt Polen stur: Es gebe kein Rechtsstaatlichkeitsproblem. Die EU hatte ein Prüfverfahren gegen Polen eingeleitet, die Frist ist nun abgelaufen.
Für Außenminister Witold Waszczykowski ist der Fall offenbar ganz klar. Erstens gebe es in Polen kein Rechtsstaatlichkeitsproblem. Und wer zweitens das Gegenteil behaupte, der habe schlicht keine Ahnung von polnischer Gesetzgebung, meint der Außenminister: "Das Thema Verfassungsgericht ist abgeschlossen. Das Tribunal wurde reformiert, die Gewaltenteilung funktioniert. Daher sehe ich auch keinen Grund dafür, dass irgendjemand Einwände gegen Stil und Art der Demokratie in Polen erheben dürfte."
Polnische Regierungskritiker sowie Vertreter der EU-Kommission sind da zwar anderer Ansicht, doch das beeindruckt den Warschauer Chefdiplomaten nicht im Geringsten. Auch Premierministerin Beata Szydlo ist der Ansicht, dass die Kritik aus Brüssel ungerechtfertigt sei. Ihr Sprecher Rafal Bochenek erklärt: "Die Europäische Kommission sollte sich endlich mit Aufgaben befassen, die sie vom Europäischen Rat in Auftrag bekommen hat - und nicht mit der Politik oder der Realisierung irgendwelcher privater Ambitionen. Sie sollte sich auf Dinge konzentrieren, zu denen sie aufgrund europäischer Verträge befugt ist."
Polens Premierministerin Beata Szydlo ließ über ihren Sprecher erklären, dass die Kritik aus Brüssel ungerechtfertigt sei. Die EU solle sich auf Dinge konzentrieren "zu denen sie aufgrund europäischer Verträge befugt ist".
Einfluss der Politik noch verstärkt?
Die im November und Dezember vom polnischen Parlament beschlossenen Gesetze zur Reform des Verfassungsgerichts, so Regierungssprecher Bochenek, seien schlüssig und entsprächen durchaus den Empfehlungen aus Brüssel. Wozu also die ganze Aufregung? "Das Verfassungstribunal verfügt jetzt zum Glück über geeignete Instrumente, um endlich wieder ungestört arbeiten zu können", sagt er. "Viele Empfehlungen der Europäischen Kommission und der Venedig-Kommission wurden bei der Reform des Gerichts umgesetzt."
Das stimmt - aber nicht ganz. In der Tat wurden einige von der EU-Kommission kritisierte Reformvorschläge der Regierung aus dem neuen Gesetz entfernt. Bei anschließenden Korrekturen wurden aber weitere Regelungen eingeführt, die den Einfluss der Politik auf das Verfassungsgericht sogar noch verstärkt.
Verschwunden sind beispielsweise Vorschriften, wonach alle Fälle künftig in der Reihenfolge ihres Eingangs vom Tribunal bearbeitet werden müssten oder, dass Urteile eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderten. Dafür entscheidet nun aufgrund erweiterter Kompetenzen die neue PiS-nahe Verfassungsgerichtspräsidentin und nicht ein Richterkollegium wer, was und vor allem wann zu verhandeln habe.
Gewaltenteilung wankt
Kurzum, meint der ehemalige Justizminister Borys Budka, haben die zahlreichen Reformen der Gerichtsbarkeit, und die Art, wie Polen diese nach außen darzustellen versuche, die Gewaltenteilung ins Wanken gebracht und das Land unglaubwürdig gemacht: "Die EU-Kommission ist unser Partner", erklärt Budka. "Aber die polnische Regierung behandelt sie beinahe wie einen Feind. Wird noch irgendjemand mit einer Regierung sprechen wollen, die das Recht bricht und betrügt?"
Aus Sicht polnischer Regierungskritiker eine rhetorische Frage. Aus der Brüsseler Perspektive scheint die Antwort etwas komplizierter zu sein. Wohlwissend, dass die Druckmittel der EU nur bedingt durchsetzbar sind.