Nach Festnahme Puigdemonts Zehntausende demonstrieren in Barcelona
Die Festnahme des ehemaligen katalanischen Regierungschefs Puigdemont hat unter Unabhängigkeitsbefürwortern für Zorn gesorgt. Zehntausende demonstrierten in Barcelona. Fast 100 wurden verletzt.
"Befreit unseren Präsidenten" steht auf den Zetteln, die Demonstranten an die Fassade des Konsulats geklebt haben. Und auf die Straße hat jemand "Demokratie ist kein Verbrechen“" gesprüht. Auf Deutsch versteht sich. Denn die Blicke und Hoffnungen vieler Separatisten richten sich jetzt gen Norden.
Mehrere Hundert Menschen haben sich vor dem Konsulat versammelt. Unter ihnen auch die 60-jährige Rosa. "Auf Spanien können wir nicht vertrauen, also vertrauen wir jetzt auf Deutschland", sagt sie.
Ein verletzter Demonstrant in Barcelona
Den spanischen Staat hält sie für "faschistisch", die Vorwürfe gegen Puigdemont für unbegründet. Auch ein junger Mann hofft, dass Deutschland einlenken wird. Er ist aber wenig optimistisch:
Deutschland wird Puigdemont sicher nach Madrid ausliefern. Spanien hat doch großen Rückhalt in der EU und auch in Deutschland. Die wollen nicht, dass Katalonien geht, weil es 20 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Ohne Katalonien kann Spanien seine Schulden nicht zahlen.
Aufgeheizte Stimmung in Barcelona
Die Stimmung unter den Demonstranten ist aufgeheizter als bei früheren Demonstrationen. "Die Zeit des Lächelns ist vorbei“, rufen einige. Manche fordern lautstark einen Generalstreik, andere sogar die Revolution. Soweit will Elsa Artadi, die Fraktionschefin der Puigdemont-Partei "Junts Pel Catalunya", nicht gehen. Aber auch sie nutzt die Gelegenheit, ihre Botschaft loszuwerden:
Wir müssen weitermachen, trotz aller Drohungen und aller Ungerechtigkeit, die wir erleiden müssen, die gegen die Demokratie geht, gegen die Bürgerrechte und gegen alle Vernunft. Heute sind wir alle vereint - und wir bewahren Ruhe.
Tief gespaltene Unabhängigkeitsbewegung
Doch vereint ist die Unabhängigkeitsbewegung nicht, sondern tief gespalten. Und von "Ruhe bewahren" ist in Barcelona nicht viel zu spüren. Vor der Vertretung der spanischen Regierung liefern sich Polizisten und Demonstranten teils heftige Rangeleien.
Die Polizisten schießen in die Luft - und gehen auch mit Schlagstöcken gegen Demonstranten vor. Auch in anderen Orten Kataloniens gibt es Protestaktionen. So sperren Demonstranten mehrere Landstraßen und Autobahnen ab und sorgen für lange Staus.
Carles Puigdemont war am Sonntag in Schleswig-Holstein festgenommen worden. (Archiv)
Die Bilder der Entrüstung dürften aber nicht täuschen, erklärt Inés Arrimadas, Katalonien-Chefin der liberal-konservativen Ciudadanos: "Heute gehen viele auf die Straße, um ihre Empörung zu zeigen. Aber es gibt auch sehr viele, die zu Hause bleiben werden, die ebenfalls empört und sehr traurig und sehr besorgt darüber sind, was die Unabhängigkeitsbewegung, was die letzte katalanische Regierung auf verantwortungslose Weise angerichtet hat."
Für ihren Parteigenossen Albert Rivera ist damit die Flucht des "Putschisten Puigdemont" zu Ende. Er sei ein Mann, der die spanische Demokratie habe "zerstören" wollen.
Mit der Festnahme von Puigdemont ist wieder deutlich geworden, wie tief der Riss ist, der durch Katalonien geht. Separatisten und Spanientreue hoffen jetzt auf die deutsche Justiz - wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen.