Wettstreit zwischen EU und USA Das große Ringen um Remdesivir
Remdesivir gilt als aussichtsreiches Mittel gegen Covid-19. In der EU steht die Zulassung kurz bevor. Die US-Regierung hat sich jetzt die nahezu komplette Produktion der kommenden drei Monate gesichert.
Zwischen den USA und der EU ist ein Wettstreit um das Corona-Mittel Remdesivir ausgebrochen. Während das US-Gesundheitsministerium mitteilte, einen Großteil der bis September anvisierten Produktionsmenge gesichert zu haben, erwartet das Bundesgesundheitsministerium "noch in dieser Woche" die Zulassung des Medikaments Remdesivir für die Behandlung von Covid-19-Patienten in der EU.
"Mit der Zulassung ist die Verpflichtung verbunden, auch in angemessenem Umfang liefern zu können. Wir gehen davon aus, dass Gilead dieser Verpflichtung auch nachkommt", sagte ein Sprecher des Ministeriums. "Der Bund hat sich frühzeitig Remdesivir für die Therapie von Corona-Patienten gesichert", fügte der Sprecher hinzu. Momentan gebe es noch genug Reserven.
Bleibt nichts für Europa?
Die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und dem US-Biotech-Unternehmen Gilead sieht laut dem US-Gesundheitsministerium den Erwerb von Wirkstoff-Dosen für mehr als 500.000 Behandlungen vor. Das wären 100 Prozent der geplanten Produktionsmenge für Juli sowie jeweils 90 Prozent für August und September.
Zu der Frage, ob durch die Vereinbarung die Versorgung mit dem Wirkstoff in Europa gefährdet sei, wollte sich ein Gilead-Sprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa nicht äußern.
Pharma-Experte Andrew Hill von der britischen Universität Liverpool sagte laut der britischen Zeitung "Guardian": "Sie (die USA) haben Zugriff auf einen Großteil des Medikaments, also bleibt nichts für Europa." Und dass, obwohl ein Großteil der klinischen Tests mit Remdesivir an Corona-Patienten in Großbritannien durchgeführt worden sei. Europäer hätten für die klinischen Studien ihre Gesundheit riskiert. Jetzt könne Europa auch einen Zugriff auf das Medikament verlangen, so Hill.
Eines der wenigen Medikamente bei Covid-19
Remdesivir gilt als eines der aussichtsreichsten Medikamente bei schweren Corona-Symptomen. Ursprünglich wurde es zur Behandlung von Ebola entwickelt, zeigte aber eine zu geringe Wirkung. Es ist bislang in keinem Land der Welt uneingeschränkt als Medikament zugelassen. Studien zufolge kann es den Krankenhausaufenthalt bei Covid-19 verkürzen.
Erst vergangene Woche hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA eine Zulassung für das Mittel mit dem Handelsnamen Veklury unter Auflagen in Europa empfohlen. Eine Entscheidung durch die EU-Kommission wird noch diese Woche erwartet.
EU könnte sich wehren
Die EU sei im Konflikt mit den USA keineswegs machtlos, sagt der Mediziner und christdemokratische Europaparlamentarier Peter Liese. Es gebe die Möglichkeit von Zwangslizenzen. Diese Zwangslizenzen für die Produktion sogenannter Generika sieht die Welthandelsorganisation WTO in ihrem Patentschutzabkommen ausdrücklich vor - und zwar im Fall eines nationalen Notstands.
Liese sieht noch einen zweiten Weg. "Es gibt die Möglichkeit von Handelssanktionen gegen die USA." Doch beide Möglichkeiten der Gegenwehr sind zeitraubend. Und sie würden nichts daran ändern, dass Remdesivir bis Herbst möglicherweise in den meisten EU-Staaten nicht verfügbar ist.