Bilaterale Rücknahmeabkommen "Es ist vor allem Symbolpolitik"
Italien hatte sich lange quergestellt - doch jetzt steht ein ähnliches Rücknahmeabkommen wie schon mit Spanien und Griechenland. Was sehen diese Vereinbarungen vor und bringen sie etwas?
Was wurde mit Spanien vereinbart?
Es war das erste der drei bilateralen Abkommen, die Innenminister Horst Seehofer (CSU) ausgehandelt hatte, nachdem die Union fast am Streit um Zurückweisungen an der Grenze zerbrochen wäre. Die Vereinbarung ist schnell erklärt: Asylbewerber, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden, können binnen 48 Stunden nach Spanien zurückgeschickt werden - wenn sich herausstellt, dass sie bereits zuvor einen Asylantrag in Spanien gestellt haben. Das kann rasch durch einen Blick in die europäische Fingerabdruck-Datenbank Eurodac festgestellt werden. Von der Zurückweisung ausgenommen sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Gegenleistungen hat Spanien laut Bundesinnenministerium nicht von Deutschland gefordert. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Vereinbarung wohl nur sehr wenige Menschen betreffen wird. Spanien selbst rechnet nicht mit mehr als 100 Personen im Jahr, die rücküberstellt werden. Und auch die deutsche Regierung rechnet nicht damit, dass besonders viele Migranten auf einem Umweg über die österreichische Grenze nach Deutschland kommen. Zudem dürfen wirklich nur diejenigen unmittelbar zurückgeschickt werden, die an der Grenze aufgegriffen werden. Und: Es werden nur sehr wenige Grenzübergänge kontrolliert.
Was sieht das Abkommen mit Griechenland vor?
Analog zum Spanien-Abkommen gilt auch hier die Zurückweisung binnen 48 Stunden an der deutsch-österreichischen Grenze bei bereits in Griechenland registrierten Asylbewerbern. Griechenland will allerdings Gegenleistungen: Deutschland soll bis zum Jahresende offene Altfälle für Familienzusammenführungen prüfen. Hintergrund ist, dass in Griechenland rund 2000 bis 3000 Flüchtlinge darauf warten, zu ihren Familien nach Deutschland reisen zu dürfen. Darüber hinaus erklärte sich Deutschland bereit, "streitige Verfahren für Familienzusammenführungen erneut zu prüfen".
Wie sind die Details des Italien-Abkommens?
Die italienische Koalitionsregierung aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega hatte deutlich gemacht: Das Land werde keine Vereinbarung unterzeichnen, bei der es sich auch nur um einen Flüchtling zusätzlich kümmern müsse. Zwar sieht nun auch die deutsch-italienische Absprache die 48-Stunden-Rückführung analog zu Spanien und Griechenland vor. Allerdings soll es einen "Ausgleichsmechanismus" geben, wie es in einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums an tagesschau.de heißt:
Deutschland soll sich als Gegenleistung für jede an der deutsch-österreichischen Grenze nach Italien zurückgewiesene Person verpflichten, einen Migranten, der im Rahmen einer Seenotrettungsmaßnahme aufgegriffen wurde, zu übernehmen.
Was soll die Vereinbarung mit Italien dann bringen?
In der Tat wohl nicht viel. "Es ist vor allem Symbolpolitik, genauso wie die Abkommen mit Griechenland und Spanien zuvor", sagt Gerald Knaus, Vorsitzender der gemeinnützigen Denkfabrik "Europäische Stabilitätsinitiative" (ESI) im Gespräch mit tagesschau.de. Es werde nur wenige Menschen betreffen. Denn um die Idee des Abkommens wirklich durchzusetzen, müsste die gesamte deutsch-österreichische Grenze aufwändig geschützt werden. "Das wäre viel Aufwand für ein wahrscheinlich bescheidenes Ergebnis."
Die Abkommen sind also unterm Strich sinnlos?
"Wenn das italienisch-deutsche Abkommen dazu führt, dass auch andere Länder Italien zusagen, Menschen, die gerettet werden, aufzunehmen, wäre es ein kleiner und umständlicher Schritt in die richtige Richtung", meint Knaus. "Doch ein Ersatz für das nicht funktionierende Dublinsystem ist es nicht.
Etwas anders bewertet er die griechisch-deutsche Vereinbarung: "Wenn das Abkommen mit Griechenland dazu führt, dass getrennte Familien schneller in der EU zusammenkommen - wie es ja auch gesetzlich vorgesehen ist - dann ist das in jedem Fall positiv."
Welche Kritik gibt es an den Abkommen?
Grundsätzliche Kritik an den bilateralen Rücknahmeabkommen kommt von Pro Asyl: Die Bundesregierung versuche "am Europa-Recht vorbei einen faktisch rechtsfreien Raum zu schaffen, in dem die Bundespolizei unter Aushebelung der Rechtswegegarantie des Grundgesetzes und des Europa-Rechts handelt". Die Vereinbarung mit Italien bezeichnet Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt als "Kuh-Handel auf dem Rücken von Schutzbedürftigen": "Das Recht auf Leben und Rettung aus Seenot wird ausgespielt gegen das Recht auf Asyl."