Russland neue Außenpolitik-Doktrin Der Westen als Feind, Russland als Opfer
Russland hat eine neue außenpolitische Doktrin verabschiedet, die den Westen zur "existenziellen" Bedrohung erklärt. Es gelte, die Dominanz der USA und anderer Staaten abzubauen - offenbar auch durch präventive Maßnahmen.
Wenn sich einmal die Woche in Moskau der russische Sicherheitsrat trifft - ein gutes Dutzend Spitzenpolitiker sowie Geheimdienstchefs, dann bekommt der Zuschauer des russischen Staatsfernsehens im Anschluss üblicherweise nur rund 30 Sekunden Einführungsworte von Präsident Wladimir Putin, der Rest bleibt geheim.
Heute die große Ausnahme: Es wurden zehn Minuten von diesem Gremium übertragen, das den Präsidenten in sicherheits-, verteidigungs- und außenpolitischen Fragen berät. Bei letzterem gab es wichtige Neuigkeiten:
Liebe Kollegen, guten Tag. Erster Punkt unserer Tagesordnung wird heute das neue außenpolitische Konzept der Russischen Föderation.
Russland sieht sich als Opfer
Was Präsident Putin als Aktualisierung und Anpassung an die heutigen geopolitischen Gegebenheiten bezeichnete, unterscheidet sich deutlich von der bisherigen außenpolitischen Doktrin aus dem Jahr 2016.
Das sei nötig, ergänzte Außenminister Sergej Lawrow, weil sich umwälzende Veränderungen auf der außenpolitische Bühne seit Beginn der "militärischen Spezialoperation" sichtbar beschleunigt hätten. Gemeint sind deutlich veränderte internationale Beziehungen zu Russland, seit der Angriffskrieg gegen die Ukraine geführt wird. Nur sieht sich Russland nicht als Täter, sondern als Opfer.
"Wir sehen, dass durch die Handlungen unfreundlicher Staaten unsere Sicherheit und Entwicklung existenziell bedroht ist." Die Vereinigten Staaten von Amerika seien direkt als Hauptinitiator und Förderer der antirussischen Linie genannt. "Wir beschreiben die auf die totale Schwächung Russlands ausgerichtete Politik des Westens allgemein als eine neue Art der hybriden Kriegsführung."
Moskau beklagt angebliche Russophobie
Zu den erwähnten "unfreundlichen Staaten" gehören Dutzende Länder und neben den USA auch Polen, Großbritannien - und Deutschland. Erneut sehr undiplomatisch für einen Außenminister warnte Lawrow: Antirussische Bestrebungen von unfreundlichen Staaten würden konsequent und, wenn nötig, mit aller Härte bekämpft.
"Das Konzept sieht die Möglichkeit vor, als Reaktion auf feindliche Handlungen gegen Russland symmetrische und asymmetrische Maßnahmen zu ergreifen." Die russischen Streitkräfte können eingesetzt werden, um einen bewaffneten Angriff auf Russland und seine Verbündeten abzuwehren oder zu verhindern, so Lawrow.
Dieses harmlos klingende "verhindern" eines bewaffneten Angriffs dürfte jenseits der russischen Grenzen große Besorgnis erzeugen, klingt es doch nach der Drohung präventiven Vorgehens. Als Drehbuch könnte das Agieren in der Ukraine 2014 gelten.
Auch die Bekämpfung einer angeblichen Russophobie steht in der neuen Doktrin: die Stärkung der russischen Sprache in der Welt und die Entpolitisierung des Sports. Mit letzterem versucht Russland, die Sanktionen und Einschränkungen bei internationalen Sportveranstaltungen aufzuweichen, die nach dem Kriegsbeginn verhängt wurden.
Moskau sieht USA als Anstifter
Eine Dominanz der USA und des Westens lehnt Russland ab, zumal die USA Anstifter, Organisator und Vollstrecker der aggressiven antirussischen Politik des kollektiven Westens seien. So steht es in der Doktrin. Und auch, dass die USA damit "Quelle der größten Risiken für die Sicherheit Russlands, des Friedens auf der Welt und einer gerechten und nachhaltigen Entwicklung der Menschheit" seien.
Russland strebt alternativ eine multipolare Weltordnung an und nennt als strategische Partner China, Indien, die ASEAN-Staaten, die Länder der islamischen Welt, des afrikanischen Kontinents, Lateinamerikas und der Karibik.
Putin unterzeichnet Erlass für Doktrin
"Wir isolieren uns nicht von den anglosächsischen Ländern und Kontinentaleuropa, wir haben keine feindlichen Absichten", so Außenminister Lawrow. "Sie sollten sich jedoch darüber im Klaren sein, dass ein pragmatisches Engagement gegenüber Russland nur möglich ist, wenn sie die Sinnlosigkeit ihrer Konfrontationspolitik erkennen und diese Politik auch praktisch ablehnen."
Die neue Außenpolitische Strategie Russlands wurde heute nicht nur im russischen Sicherheitsrat vorgestellt und der vollständige Text auf der Website des Kreml veröffentlicht, sondern - so Präsident Putin: "Ich habe heute einen Erlass unterzeichnet, mit dem das aktualisierte außenpolitische Konzept der Russischen Föderation angenommen wird."