Deutschland verhindert Beitritt Rumänien und Bulgarien "noch nicht reif" für Schengen
Deutschland blockiert die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengen-Raum. Bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen bekräftigte Innenminister Friedrich die deutsche Position: Die Zeit sei noch nicht reif für den Wegfall der Grenzkontrollen. Die betroffenen Länder reagierten enttäuscht.
Die Bundesregierung hat Rumänien und Bulgarien die Tür zum Schengen-Raum vorerst wieder zugeschlagen. Die beiden ehemaligen Ostblockstaaten sind nach Ansicht von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich noch nicht reif für eine Aufhebung der Grenzkontrollen. Das bekräftigte Friedrich bei einem Treffen der EU-Innenminister in Brüssel.
Es gebe in beiden Ländern noch Schwachstellen, insbesondere bei der Funktionsfähigkeit der Justiz, sagte Friedrich. Ausreichend für die Reisefreiheit in beiden Ländern sei nicht, dass die technischen Voraussetzungen für Grenzkontrollen gegeben seien, sondern dass die "politische Gesamtschau" stimme.
Damit kassierte Friedrich auch den deutschen Vorschlag aus dem vergangenen Jahr einer stufenweisen Aufnahme in den Schengen-Raum, wonach zuerst an den Flug- und Seehäfen die Kontrollen abgeschafft werden sollen, und erst in einem zweiten Schritt an den Landesgrenzen.
Schwachstellen bei der Funktionsfähigkeit der Justiz
Der Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengen-Raum wurde schon mehrfach verschoben. Neben Deutschland sehen auch die Niederlande und Finnland eine Aufnahme skeptisch. Alle 26 Mitgliedsstaaten müssen für die Aufhebung der Grenzkontrollen stimmen, womit Berlin ein Vetorecht hat.
"Das hat etwas mit der Sicherheit unserer Bürger zu tun, und da kann es keine Kompromisse geben", sagte Friedrich. Nach wie vor gebe es in einigen Bereichen Schwachstellen, "insbesondere was auch die Funktionsfähigkeit der Justiz angeht".
Erst Ende des Jahres wollen sich die Innenminister wieder mit dem Thema befassen. Bis dahin will die EU-Kommission neue Berichte über die Fortschritte in der Justiz, im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption vorlegen. Man sollte schauen, wie die Berichte ausfallen, "und dann werden wir erneut darüber diskutieren", sagte Friedrich.
Enttäuschung in Sofia und Bukarest
Die betroffenen Länder reagierten enttäuscht und sehen sich zu Unrecht ausgeschlossen. Auch in Österreich ist man verschnupft über den Vorstoß aus Deutschland - und hofft noch auf eine Beitrittsperspektive in diesem Jahr. Geht es nach Friedrich, wird die Schengenaufnahme für Sofia und Bukarest in diesem Jahr vollständig auf Eis gelegt.
Der bulgarische Innenminister Tsvetan Tsvetanov sagte an die Adresse Friedrichs gerichtet: "Wir sollten einen konstruktiven, offenen und transparenten Dialog führen. Die Politik sollte die Arbeit nicht beeinflussen." Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will an dem zweistufigen Beitritt festhalten: "Das gibt uns die Chance, nach dem ersten Schritt eine umfassende Evaluierung vorzunehmen."
Auch bei SPD, Grünen und Linkspartei stieß das deutsche Veto auf Kritik. Lob gab es hingegen von der Gewerkschaft der Polizei.
Das Abkommen von Schengen in Luxemburg beseitigte 1985 zunächst die Schlagbäume zwischen Deutschland, Frankreich und den Benelux-Ländern. Heute gehören 26 Staaten zum "Schengen-Land", in dem keine Binnengrenzen kontrolliert werden sollen. Neben 22 der 28 EU-Ländern (alle außer Großbritannien, Irland, Zypern, Bulgarien, Rumänien und Kroatien) sind das Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz.
Die Landgrenzen dieses Schengen-Raums mit mehr als 400 Millionen Einwohnern sind mehr als 7700 Kilometer lang, die Seegrenzen knapp 42.700 Kilometer. An den Grenzen zwischen den Schengen-Staaten werden Reisende nur noch in Stichproben oder bei besonderen Ereignissen kontrolliert.
Nach Artikel 23 des Schengener Grenzkodex kann ein Mitgliedsland "im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" für einen begrenzten Zeitraum an seinen Grenzen ausnahmsweise wieder Personen kontrollieren. Die Maßnahmen dürfen höchstens 30 Tage dauern oder so lange, wie die "schwerwiegende Bedrohung" andauert. Die Schengen-Staaten nutzten diese Klausel zum Beispiel, um vor großen Sportveranstaltungen oder Gipfeltreffen Reisende zu kontrollieren.
Artikel 26 lässt notfalls auch eine Verlängerung der Kontrollen auf bis zu zwei Jahre zu, wenn "anhaltende schwerwiegende Mängel bei den Kontrollen an den Außengrenzen" das Funktionieren des Schengenraums insgesamt gefährden. Im Falle der Flüchtlingssituation in Griechenland muss die EU jetzt ausdrücklich feststellen, dass die Sicherung der EU-Außengrenzen auch nach den ersten 30 Tagen mit Grenzkontrollen nicht funktioniert. Sollten die EU-Länder der Meinung sein, dass die EU-Außengrenzen nicht gesichert sind, kann die EU dem Antrag Griechenlands zur Verlängerung von Grenzkontrollen stattgeben.