USA-Korrespondenten Dittert und Scherer zur US-Wahl Pragmatikerin oder Visionär - das Rennen ist offen
"Hillary gegen Obama" heißt der Film, den Annette Dittert und Klaus Scherer für die ARD gedreht haben - ein Doppelporträt der demokratischen Präsidentschaftsanwärter. tagesschau.de sprach mit den USA-Korrespondenten über die Kandidaten und die Unberechenbarkeit des Vorwahlkampfes.
"Hillary gegen Obama" heißt der Film, den Annette Dittert und Klaus Scherer für die ARD gedreht haben - ein Doppelporträt der demokratischen Präsidentschaftsanwärter. tagesschau.de sprach mit den beiden USA-Korrespondenten über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kandidaten, die Unberechenbarkeit des US-Vorwahlkampfes und die Situation vor dem "Super Tuesday".
tagesschau.de: Die US-Vorwahlen sind für Europäer nicht ganz leicht zu verstehen. Welche Bedeutung haben die Primaries vor dem "Super Tuesday"?
Annette Dittert: Die Primaries vor dem "Super Tuesday" sind hauptsächlich Stimmungstests, die symbolische Wirkung haben. De facto geht es um nur wenige Delegiertenstimmen, verglichen mit dem "Super Tuesday". Obamas überraschender Sieg in Iowa hat aber auch gezeigt, dass die frühen Primaries den Kandidaten unerwartete Schubwellen geben können, die dann auf die Abstimmungen am "Super Tuesday" eine große Wirkung haben.
Klaus Scherer: Die Vorwahlen haben für Außenstehende etwas von Zirkus. Tatsächlich sind sie aber eine äußerst demokratische Tradition, gerade in solchen Staaten wie Iowa und New Hampshire. Denn hier präsentieren sich die Kandidaten hautnah den Leuten, oft auf kleinen Veranstaltungen. Und diese nehmen die Gelegenheiten auch wahr, um sich ein Bild zu machen. Das Problem ist, dass dieser volksnahe Charakter immer wieder überlagert wird vom Strategiewahlkampf, der über die Medien gespielt wird. Das ist das Terrain der "Spin Doctors", also der PR-Profis, die gezielt Stichworte träufeln und an Images arbeiten, für den einen und vor allem gegen den anderen.
tagesschau.de: Obama hat in South Carolina gezeigt, dass er doch noch siegen kann. Zwar sehen die landesweiten Umfragen Clinton bei den Demokraten weiterhin weit vorn, aber Obama holt auf. Wer macht bei den Demokraten nun das Rennen?
Dittert: Die Dynamik des Vorwahlkampfs in diesem Jahr ist unvorhersehbar, es hat schon jetzt so viele Überraschungen gegeben, dass man wirklich nur sagen kann: Das Rennen mit Clinton ist nach Obamas Sieg in South Carolina wieder komplett offen.
Scherer: Ich kenne niemanden, der derzeit begründet und glaubwürdig einen Sieger vorhersagen könnte. Jeden Tag kann sich hier etwas Neues auswirken, ohne dass man weiß, wie sehr. Beispielsweise die öffentliche Wahlempfehlung für Obama durch den einflussreichen Senator Edward Kennedy.
tagesschau.de: Clinton gilt allgemein als die politisch Erfahrene und Pragmatische, Obama dagegen als Visionär und Erneuerer. Ist an diesen Zuschreibungen etwas dran – oder ist das eher Wahlkampfrhetorik?
Scherer: Nein, das ist in der Tat etwas, das beide unterscheidet. Neben der ursprünglichen Position zum Irakkrieg, den Clinton anfangs unterstützt hat, während Obama schon früh davor gewarnt hat. Ansonsten liegen sie politisch, auch außenpolitisch, sehr nah bei einander. Aber schon ihre Lebensgeschichten, die wir in dem Film nachzeichnen, sind sehr unterschiedlich. Clinton kann mit Recht auf mehr regierungspolitische Erfahrung verweisen, obwohl Obama eine beeindruckende Lebenserfahrung mitbringt, gerade als einer, der oft Gegensätze verbinden musste. Er übersetzt zudem die Unzufriedenheit einer ganzen Generation sicher am besten. Tatsache ist, dass er gerade junge Leute und Nichtwähler wieder für die Politik gewonnen hat.
Dittert: Beide Kandidaten sind vom politischen Programm her sehr ähnlich. Beide wollen einen Abzug der Truppen aus dem Irak. Beide wollen eine Reform der Gesundheits- und Sozialsysteme. Die Unterschiede liegen tatsächlich mehr in den jeweiligen Persönlichkeiten und darin, wie sie ihre jeweiligen Stärken verkaufen. Clinton ist die politisch Erfahrenere und setzt auch in ihrem Wahlkampf darauf, mit Arbeit und harter Disziplin einen Wandel in Washington durchzusetzen. Für viele junge Amerikaner, die genug haben von der Bush-Regierung, vermittelt sie so aber nicht klar genug den Bruch mit dem System. Sie war ja schon mal da, wo sie jetzt wieder hin will, im Weißen Haus. Und sie wirkt manchmal nervtötend perfekt. Deshalb war ihr "schwacher Moment" in New Hampshire auch so wichtig für sie: Endlich hatten die Wähler das Gefühl, Clinton als eine echte Person mit Schwächen und Brüchen zu erleben. Meist wirkt sie immer noch sehr perfekt und distanziert. Das sind ihre Schwächen Obama gegenüber, in einem Land, das seinen Kandidaten mögen will.
tagesschau.de: Bei den Republikanern ist – anders als bei der letzten Wahl – die Gemengelage wesentlich unübersichtlicher als bei den Demokraten. Dort sieht es zumindest im Moment so aus, als könnte John McCain das Rennen machen – ein Mann, dem eigentlich ein frühes Scheitern prophezeit worden war. Was ist McCain für ein Mann – und wie erklärt sich sein Erfolg?
Scherer: Er gilt als grundsatztreu und nicht so schillernd wie seine Gegner. Am deutlichsten wurde das, als er trotz seiner Loyalität zu Bush in der Anti-Folter-Debatte klar Position bezogen hat. Auch weil er selbst lange in Kriegsgefangenschaft war. Sein Problem ist, dass er keine breite Basis in der Partei hat und auch keinen ideologischen oder gar religiösen Stallgeruch.
Dittert: McCain ist ein erfahrener Politiker, dem als Vietnam-Veteran zugetraut wird, die verfahrene Lage im Irak handhaben zu können. Er hat sich gleich zu Beginn seiner Kandidatur auf die Seite Bushs in Sachen Irakkrieg gestellt. Einfach abziehen könne man die Truppen so schnell nicht. Vielen gilt er als der glaubwürdigste Kandidat im insgesamt sehr schwachen republikanischen Kandidatenlager. Seit die "New York Times" ihn offen unterstützt - und erst recht seit seinem Sieg in Florida - sind seine Chancen sicher noch mal gestiegen.
tagesschau.de: Barack Obama und Hillary Clinton bekommen in vielen Medien – auch in Deutschland - wesentlich mehr Platz eingeräumt als die Republikaner. Machen die Demokraten einfach bessere Publicity als die Republikaner? Oder hat das andere Gründe?
Scherer: Obama und Clinton sind eindeutig bisher die Favoriten, schlichtweg weil die Amerikaner die konservative Bush-Regierung ziemlich leid sind. Zudem hat sich hier das Gegner-Paar schon herausgebildet, was bei den Republikanern nicht der Fall ist.
Dittert: Der Showdown zwischen dem ersten schwarzen Kandidaten und der ersten Frau, die für das mächtigste Amt der Welt antreten, hat natürlich viel mehr Showpotenzial und ist auch in der inhaltlichen Auseinandersetzung viel interessanter, als das, was sich im nicht sehr profilierten republikanischen Lager abspielt. Zumal es nicht irgendeine Frau ist, die kandidiert, sondern Hillary Clinton, eine der bekanntesten und umstrittensten Politikerinnen Amerikas.
tagesschau.de: Ob Obama / Clinton oder McCain / Huckabee – der in Europa von vielen ungeliebte Präsident George W. Bush wird abtreten. Was wird sich aus Sicht der Europäer positiv ändern, wo macht man sich falsche oder zu große Hoffnungen?
Dittert: Das ist jetzt noch schwer zu sagen. Sicher ist das Bild, das die Europäer von den demokratischen Kandidaten haben, etwas undifferenziert. Von Clinton erwarte ich zwar eine klare Abkehr von der jetzigen amerikanischen Außenpolitik, inklusive eines schnellen Abzugs der Truppen aus dem Irak. Dennoch ist sie kein linker Friedensengel. Gerade außenpolitisch schwingt in ihren Reden immer ein gewisser amerikanischer Patriotismus mit. Sie hat nicht nur ursprünglich für den Irakkrieg gestimmt, sie hat auch vor einigen Monaten für eine Iran-Resolution gestimmt, die den aggressiven Kurs der Bush-Regierung unterstützte. Wieviel wahlkampfbedingter Opportunismus hier mitschwingt, wird sich erst herausstellen, wenn sie eines Tages wirklich im Weißen Haus sitzen sollte.
Scherer: Der Unmut im Lande legt allen nahe, künftig weniger Machtpolitik im Alleingang zu machen, sondern mehr auf Glaubwürdigkeit und moralische Führung zu achten. Für die Europäer wird das vermutlich nicht nur heißen, dass sich Amerika ihnen umweltpolitisch nähert, sondern dass sie auch dort eher eingebunden würden, wo sie bisher gern darauf verzichtet haben, etwa bei Militäreinsätzen und bei den Kosten dafür. Andererseits verweisen Leute wie der frühere US-Sicherheitsberater Brzesinski darauf, dass ein Präsident Obama auch ein Zeichen an die Welt dafür wäre, dass es ein neues Amerika gebe, das eher die Verständigung sucht, auch mit Amerikas Gegnern.
Interview: Jan Oltmanns und Ralph Sartor, tagesschau.de