EU-Spitzenposten Spanien spielt wieder mit in Brüssel
Wird Manfred Weber EU-Kommissionspräsident? Die Frage wird nicht allein zwischen den EU-Mächten Deutschland und Frankreich ausgemacht. Auch das auf EU-Ebene eher zurückhaltende Spanien mischt wieder mit.
Neben dem französischen Präsidenten Emanuel Macron hat der Deutsche Manfred Weber vor allem einen gewichtigen Gegner: den geschäftsführenden spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Er scheint Weber als Erben von Wolfgang Schäuble wahrzunehmen: als einen, der auf einen strikten Sparkurs pocht und die Südländer zu Strukturreformen anhalten will.
Eine Parteigenossin von Sánchez sitzt der Fraktion der Sozialdemokraten im Europaparlament vor. Sie hat Weber schon wissen lassen, dass ihre Fraktion ihn auf keinen Fall als nächsten EU-Kommissionspräsidenten unterstützen wird. Die Aktion dürfte mit Sánchez abgesprochen gewesen sein.
"Seine Rolle wieder ausfüllen"
Spanien spielt kräftig mit im Machtpoker um die EU-Spitze. Josep Borrell war vor einigen Jahren Präsident des Europäischen Parlaments, heute ist er spanischer Außenminister. Borrell sagte vor einigen Monaten: "Spanien ist zurück in Europa und will dort seine Rolle ausfüllen: an der Seite von Frankreich und Deutschland, um die Vertiefung Europas voranzutreiben, insbesondere nach dem Brexit."
Spanien ist zurück in Europa, sagt Außenminister Borrell.
Spanien hielt sich eher zurück
Seine Rolle habe Spanien viel zu lang nicht mehr ausgefüllt, findet Borrell. Mit dieser Meinung ist er nicht allein. Europäische Diplomaten berichten, dass ihre spanischen Kollegen in Brüssel in den vergangenen Jahren vor allem mit Zurückhaltung geglänzt hätten.
Das bestätigt auch der frühere spanische EU-Kommissar Joaquín Almunia. In einem Interview mit dem ARD-Hörfunk sagte er 2017: "In den mehr als zehn Jahren, in denen ich bei der Europäischen Kommission in Brüssel war, fand ich es immer schade, dass Spanien nicht stärker vertreten war: weder in Debatten noch mit sinnvollen Initiativen."
Ein zuverlässiger Partner
Spanien ist für Deutsche und Franzosen in der EU bisher ein verlässlicher, wenn auch stiller Partner. Jochen Müller ist Vizedirektor der Vertretung der EU-Kommission in Madrid. Er sagt: Spanien sei im vergangenen Jahrzehnt vor allem mit sich selbst beschäftigt gewesen. Zunächst mit der Wirtschaftskrise und der Bankenrettung, später mit den Separatisten in Katalonien: "Spanien hat im letzten Jahrzehnt weit unter seinem Gewicht geboxt. Aber das wird jetzt kommen. Die Krise ist vorbei, man hat sie überwunden und wächst seit sechs Jahren wieder stark - und hat wieder den Anspruch, auf europäischer Ebene mitzuspielen."
Sánchez will Themen setzen. So versucht er etwa, die EU auf eine gemeinsame Linie in Sachen Migration einzuschwören: ein Thema, das für Spanien besonders wichtig ist. Vom CSU-Mann Weber erwartet Sánchez hier offenbar kaum Impulse.
In Brüssel Themen setzen, zum Beispiel die Migration, darum geht es Spaniens Regierungschef Sánchez.
"Spanien wird gebraucht"
Die Zeichen für mehr Spanien in Europa stehen gut, meint Ignacio Molina vom Politikinstitut Elcano in Madrid. Spanien werde mehr denn je gebraucht. "Wenn man in der EU nach Osten blickt, dann ist da die Visegrád-Gruppe mit Ländern wie Polen, die nicht sehr viel dazu beitragen, dass die Integration in Europa voranschreitet. Wenn man nach Süden blickt, ist da Salvini in Italien. Im Westen steht der Brexit an und auch im Norden gibt es Länder wie die Niederlande, die eher bremsen." Frankreich und Deutschland könnten nicht allein voranschreiten. Sie seien daher auf europafreundliche Partner wie Spanien angewiesen.
Spitzenposten angestrebt
"Spanien ist zurück in Europa", meint Außenminister Borrell. Gut möglich, dass auch ihm eine Rückkehr nach Brüssel bevorsteht: Der 72-Jährige wird als Nachfolger von Federica Mogherini gehandelt - als Hoher Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Möglich wäre auch ein Posten als Vizepräsident der Kommission.
"Natürlich arbeitet Spanien daran, in der EU-Kommission bestens vertreten zu sein", sagte Sánchez kürzlich. Seine Regierung pocht vehement auf einen Posten an der Spitze Europas. Nicht ohne Grund: In den Top-Ämtern der EU sind Spanier kaum vertreten, das Land stellt bisher nur den Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, Luis de Guindos. Bisher.