SWIFT-Abkommen tritt in Kraft USA dürfen wieder EU-Bankdaten sichten
Heute tritt das neue SWIFT-Abkommen in Kraft. Damit haben US-Fahnder wieder Zugriff auf Bankdaten europäischer Bürger. Zwar sicherte sich die EU einen gewissen Einfluss bei der Auswertung der Daten in den USA. Doch Kritiker warnen weiter vor den Folgen der massenhaften Datenübermittlung.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die US-Terrorfahnder sind am Ziel: Von heute an haben sie wieder Zugriff auf Bankdaten europäischer Bürger. Ein halbes Jahr lang lagen die Fahnder auf dem Trockenen, weil das Europäische Parlament die bestehende Vereinbarung über den Datentransfer gekippt hatte. Aber die Amerikaner machten Druck, bis hin zum Vizepräsidenten Joe Biden. "Wir glauben, dass das Programm zur Verfolgung terroristischer Finanzströme zentral wichtig ist für unsere Sicherheit", sagte er. "Es hat der Terrorabwehr entscheidende Erkenntnisse gebracht, und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks." Das Programm habe Leben gerettet.
So wurde dann tatsächlich in rekordverdächtiger Zeit ein neues Abkommen ausgehandelt. Die dabei erreichten leichten Verbesserungen im Datenschutz reichten Anfang Juli einer Mehrheit der EU-Abgeordneten, um grünes Licht zu geben.
Zugriff auf große Datenpakete
Die US-Behörden können nun wieder Informationen über die Banküberweisungen von und an Terrorverdächtige beim belgischen Finanzdienstleister SWIFT anfordern. Daher hat sich der Name Swift-Abkommen für das Anti-Terror-Programm eingebürgert. SWIFT wickelt für weltweit 8000 Banken täglich etwa 15 Millionen Geldtransaktionen ab.
Anfragen dürfen die US-Nachrichtendienste Informationen über die Überweisungen, die ins nicht-europäische Ausland gehen. Da SWIFT technisch nicht in der Lage ist oder vielmehr nicht in der Lage sein will, gezielt einzelne Namen herauszufiltern, werden ganze Datenpakete an das US-Finanzministerium übermittelt, wo die Auswertung stattfindet. Das sind zum Beispiel alle Überweisungen aus einem bestimmten Bundesland nach Pakistan in einem bestimmten Zeitraum.
Kein Anspruch auf unabhängige Klärung
Was das bedeutet, erläutert der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht: Jeder Bürger könne damit rechnen, "dass eines Tages Überweisungsdaten von ihm oder ihr dort enthalten sind in solch einem Paket, das übetragen wird in die USA und dort fünf Jahre gespeichert wird. Und das Ganze leider, ohne dass wir davon wirklich etwas mitbekommen." Oder erst dann, wenn im Extremfall die Einreise in die USA verweigert oder das Konto gesperrt wird. Geschädigte können zwar mit dem neuen Abkommen erstmals Beschwerde einreichen und sogar gegebenenfalls Schadenersatz fordern. Aber es besteht nach wie vor kein Anspruch auf eine unabhängige richterliche Klärung.
Neu ist auch, dass die EU eine gewisse Kontrolle über den Umgang mit den Daten bekommt. Zuerst prüft die Polizeibehörde Europol, ob die Fahndungsanfrage aus den USA überhaupt begründet ist. Darüber hinaus darf die EU einen Beamten direkt ins US-Finanzministerium schicken.
Europäische Beamte bei Öffnung der Daten dabei
"Wir haben jetzt vor allem dadurch, dass ein europäischer Beamter direkt beim Öffnen der Daten dabei sitzt und Stopp sagen kann, wenn etwas passiert, das nicht dem Datenschutz entspricht, eine ganz wesentliche Qualitätsverbesserung erreichen können", sagt der österreichische Konservative Ernst Strasser. Es ist das erste Mal überhaupt, dass die Amerikaner einem ausländischen Beamten erlauben, ihren Nachrichtendiensten bei der Arbeit über die Schultern zu schauen.
Den Grünen Albrecht kann das nicht überzeugen. "Das sind alles so ein bisschen Placebo-Effekte", sagt er, "weil die Vertreter, die da mitwirken, ein eigenes Interesse daran haben, dass diese Daten ausgewertet werden". Sie seien nicht etwa wie der Europäische Datenschutzbeauftragte unabhängige Beobachter und erst recht keine unabhängigen Juristen.
Die Grünen und die Datenschützer wollen außerdem die Übermittlung von Massendaten und die lange Speicherdauer nicht akzeptieren. Damit würden unverzichtbare und bewährte Standards unterlaufen, so der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.
Arbeit an neuem System
Aber Abhilfe ist in Sicht. Das hoffen zumindest die Abgeordneten, die im Europaparlament dem neuen SWIFT-Abkommen zur Mehrheit verholfen haben. "Nämlich in der Art und Weise, dass wir in Europa ein eigenes System aufbauen möchten, um diese Daten zu extrahieren, um dann punktgenau den Vereinigten Staaten liefern zu können", sagt der FDP-Politiker Alexander Alvaro.
Im nächsten Jahr soll die EU-Kommission eine Machbarkeitsanalyse des europäischen Programms zur Verfolgung der Terrorfinanzierung vorlegen. Aber nicht alle EU-Staaten sind davon begeistert. Denn ein solches System ist gewiss nicht zum Nulltarif zu haben.