Türkei-Erklärung der EU Alle - außer Österreich
Erstmals hat die EU Konsequenzen aus dem Vorgehen der türkischen Regierung nach dem Putschversuch gezogen: Bei einem Ministertreffen in Brüssel wurde beschlossen, die Beitrittsverhandlungen nicht auszuweiten. Allein Österreich stimmte nicht zu - weil es noch weitergehen wollte.
Eines dürfte selbst dem Österreichischen Außenminister Sebastian Kurz von Anfang an klar gewesen sein: Seine Forderung, die Beitrittsgespräche mit der Türkei einzufrieren, würde zum Scheitern verurteilt sein. Und so kam es dann auch. Zwar werden die Türkei-Gespräche nun nicht in die Tiefkühltruhe befördert - weil der Wiener Chefdiplomat aber auf seinem Standpunkt beharrte, blockierte er damit nun eine gemeinsame Erklärung zur Türkei, die man von Seiten der EU-Staaten verabschieden wollte. "Der Text liest sich heute anders, als noch zu Beginn vorgeschlagen und hat sich in die richtige Richtung entwickelt. Aber es ist aus meiner Sicht immer noch nicht ausreichend gewesen, hier von Seiten Österreichs die Zustimmung zu erteilen", sagte Kurz, nachdem an dem Text in Brüssel stundenlang mühsam gefeilt worden war.
Allerdings erreichte er, dass erstmals in einer gesonderten Erklärung festgehalten wird, dass die Beitrittsgespräche zwar weitergehen, aber auch nicht mehr ausgeweitet werden sollen. Zudem dürfte es dem Österreicher bei seiner Blockade ganz offensichtlich darum gegangen sein, ein Zeichen in Sachen Türkei zu setzen.
Wo ist die Geschlossenheit?
Was er damit allerdings in Kauf nimmt, ist dass der Eindruck entsteht, die EU schaffe es nicht, sich auf eine gemeinsame Haltung zur Türkei zu verständigen. Der Abgesandte aus dem Auswärtigen Amt, Staatsminister Michael Roth, nannte das Ergebnis der Sitzung in Brüssel "sehr enttäuschend". Er glaube, "dass wir mit Blick auf den Westbalkan, aber auch mit Blick auf die Türkei eine große Geschlossenheit in der Europäischen Union brauchen."
Entsprechend war es dem Vertreter der Bundesregierung ein großes Anliegen, deutlich zu unterstreichen, dass Österreich mit seiner Haltung im Kreis der 28 EU-Staaten isoliert gewesen sei. Zwar sei man gerade an einem Punkt, wo das notwendige Maß an Einigkeit nicht erreicht wurde. "Dennoch: Mit Ausnahme des österreichischen Außenministers haben wir zusammengestanden und waren bereit, diesen Konsens zu tragen."
Welche Konsequenzen?
Während man also mit Österreich uneinig ist bei der Frage, wie man mit den Beitrittsgesprächen weiter verfahren sollte, herrscht in einer Hinsicht Einigkeit: Bei der düsteren Diagnose, dass es in der Türkei in Sachen Rechtsstaat und Pressefreiheit eher Rück- als Fortschritte zu verzeichnen gibt. Das hat die EU-Kommission im November so festgestellt, das sieht auch die Bundesregierung so. Die Frage ist eben nur: Welche Konsequenzen zieht man daraus?
"Die Frage, die Sebastian Kurz beantworten muss, lautet: Wie wollen wir die Lage in der Türkei günstig beeinflussen, wenn wir nicht mit den Türken reden?“, so EU-Kommissions-Vize Frans Timmermans. Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte mit eindringlichen Worten vor Journalisten erneut, dass die nach Jahrzehnten erstmals erfolgversprechenden Verhandlungen zur Wiedervereinigung der Insel Zypern in Gefahr seien, sollten die Beitrittsgespräche auf Eis gelegt werden - und auch die Opposition in der Türkei händeringend von einem Abbruch abrate.
"Ehrliche Diskussion zur Türkei"
Doch der österreichische Außenminister Kurz ist überzeugt davon, dass sich seine Text-Blockade trotzdem langfristig lohnt: "Ich glaube, dass der heutige Schritt dazu geführt hat, dass es hoffentlich eine weitere und ehrliche Diskussion zur Türkei gibt. Das sind wir jenen Menschen schuldig, die in der Türkei unterdrückt werden. Aber auch uns selbst als Politikern, die ja gerne in den Spiegel schauen wollen."
Klar ist: Dass die EU nun ohne gemeinsamen Türkei-Text dasteht, hat erstmal keine Auswirkungen auf den Beitrittsprozess. Keineswegs werden die Gespräche mit Ankara auf Eis gelegt. Gleichzeitig ist in einer Erklärung der EU-Ratspräsidentschaft nun schwarz auf weiß festgehalten, dass vorerst keine neuen Kapitel bei diesen Gesprächen geöffnet werden sollen. Das war allerdings in der nächsten Zeit ohnehin nicht vorgesehen.