Militäroffensive der Türkei in Syrien Gefährliche Dreiecksbeziehung
Die Türkei hat in Nordsyrien eine militärische Offensive gegen den "Islamischen Staat" gestartet. Zugleich will Präsident Erdogan aber auch die kurdischen Einheiten bekämpfen. Eine gefährliche Gemengelage - denn die Kurden sind die Verbündeten der USA.
Die Nachrichtenkanäle im türkischen Fernsehen haben heute früh einen zweigeteilten Bildschirm: Auf der linken Hälfte zeigen sie, wie US-Vize-Präsident Joe Biden in Ankara landet und seinen Türkei-Besuch beginnt. Auf der rechten Bildschirmhälfte zeigen die Sender dramatische Bilder von der türkisch-syrischen Grenze: Türkische Panzer dringen einige hundert Meter auf syrisches Gebiet vor, direkt an der syrischen Grenzstadt Dscharablus, die bislang noch von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gehalten wird.
Unklar ist, wie weit die türkischen Soldaten in Richtung Dscharablus vordringen sollen. Bereits seit 4 Uhr hatte die türkische Armee mit Granaten und Luftschlägen IS-Stellungen in Dscharablus angegriffen. "Wir unterstützen in Syrien die gemäßigte Opposition. Deshalb führen wir in Dscharablus eine Operation aus - in Absprache mit der internationalen Koalition", sagte der türkische Innenminister Efkan Ala. Die Türkei sichere damit ihre Außengrenze, zeige Initiative.
Soll Dscharablus türkisch werden?
Außenminister Cavusoglu hatte in den vergangenen Tagen betont, die Türkei werde die Terrormiliz IS aus der Grenzstadt Dscharablus vertreiben, denn immer wieder greife der IS von dort aus mit Granaten türkische Städte an. Die Türkei werde Kämpfer der Freien Syrischen Armee unterstützen, sagte Cavusoglu. Sie sollen Dscharablus erobern. Der Minister sprach nicht davon, dass die türkische Armee selbst Dscharablus besetzen will.
Möglicherweise bereitet die türkische Armee mit ihren Panzern derzeit den Weg, damit die Kämpfer der Freien Syrischen Armee bald auf Dscharablus losmarschieren können. Die Militär-Operation, so betont die türkische Regierung, sei mit der Anti-IS-Koalition abgesprochen, die von den USA angeführt wird. Insofern wird US-Vize-Präsident Joe Biden bei seinem Besuch in Ankara diese Militäraktion gegen die IS-Terrormiliz begrüßen.
Streit über syrische Kurdenkämpfer
Eine Äußerung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vom Vormittag birgt aber Konfliktstoff für das Gespräch zwischen ihm und Biden. Erdogan sagte: "Unsere Armee und unsere Sicherheitskräfte haben heute früh ab 4 Uhr im Norden Syriens eine Operation gegen Terrororganisationen wie IS oder PYD begonnen, die unser Land ständig bedrohen."
Bedrohliche Gemengelage
Terror-Organisation PYD - damit meint Erdogan die Kampftruppen der syrischen Kurden. Für Erdogan sind sie der verlängerte Arm der PKK. Die Türkei will verhindern, dass die syrischen Kurden noch mehr Gebiete im Norden Syriens erobern und ihre Autonomie-Zone weiter ausbauen. Allerdings: Genau diese kurdischen Kampftruppen in Syrien sind enge Verbündete der USA, des Westens. Denn sie kämpfen erfolgreich gegen die Terrormiliz IS.
Die Kämpfer der syrischen Kurden sind gewissermaßen die Bodentruppen des Westens im Kampf gegen den IS. Wenn die Türkei diese Kämpfer angreift, fällt sie damit quasi den US-Truppen in den Rücken. Der Streit, wie die kurdischen Kämpfer zu bewerten sind, schwelt seit langem zwischen der Türkei und den USA. Durch die nun begonnene Militär-Operation der Türkei bekommt dieser Streit eine neue, bedrohliche Qualität. Ein heikles Thema, über das US-Vize-Präsident Biden mit dem türkischen Präsidenten Erdogan verhandeln wird.