Selenskyj ein Jahr nach Kriegsbeginn "Auf unserer Seite ist die Wahrheit"
Am Jahrestag des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich Präsident Selenskyj siegesgewiss gezeigt. Auf einer Pressekonferenz warb er für einen Friedensgipfel. Die G7 sagten Kiew unbefristete Unterstützung zu.
Ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion glaubt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weiter an den Sieg seines Landes. "Wenn wir alle unsere Hausaufgaben machen, dann wird uns unvermeidlich der Sieg erwarten", sagte der 45-Jährige bei einer Pressekonferenz in Kiew. Dabei sei es wichtig, dass jeder konzentriert sei und seine Arbeit mache. "Wir werden siegen, denn auf unserer Seite ist die Wahrheit", so Selenskyj.
Er betonte auch die Bedeutung internationaler Unterstützung. Leider habe diese erst nach Kriegsbeginn eingesetzt, sagte er. "Es gab keine eiserne Faust der Partner vor dem Krieg." Zugleich betonte Selenskyj, dass für diplomatische Bemühungen um Unterstützung auch militärische Erfolge seiner Armee wichtig seien, die durch westliche Waffenlieferungen unterstützt wird.
Selenskyj wirbt für Friedensgipfel
Die internationale Gemeinschaft forderte er zu einer breiten Teilnahme an einem Gipfel zu seinem Friedensplan auf. "Je mehr Länder mitmachen, desto mehr Unterstützung haben wir." An dem Gipfel sollten nicht nur die Partner der Ukraine im Westen teilnehmen, sondern auch die Staaten Lateinamerikas, afrikanische Länder sowie China und Indien, sagte er. Ein Termin steht noch nicht fest. Zu Selenskyjs "ukrainischer Friedensformel" gehören der vollständige Abzug russischer Truppen vom ukrainischen Staatsgebiet, die Freilassung aller Kriegsgefangenen, ein Tribunal gegen russische Kriegsverbrecher sowie Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
Mit Blick auf Chinas Initiative für eine Beendigung des Krieges machte Selenskyj deutlich, dass er darin keinen echten Friedensplan sehe. Es sei aber schon "nicht schlecht", dass China angefangen habe, über die Ukraine zu sprechen. Wichtig sei, dass die territoriale Unversehrtheit von Staaten und die atomare Sicherheit zum Thema gemacht würden. "Mir scheint, dass das kein Friedensplan Chinas war", so Selenskyj. "Es gibt ein paar Punkte, die ich verstehe. Es gibt Gedanken, mit denen ich nicht übereinstimme, mit denen die ganze Welt nicht einverstanden ist. Aber trotzdem ist es schon einmal etwas." Details nannte er nicht. Das Papier sei eine Grundlage. "Unsere Aufgabe ist es, alle zu versammeln, um den einen zu isolieren."
"Hört auf, uns zu bombardieren"
Zu Beginn der Veranstaltung zum Jahrestag hatte es eine Schweigeminute gegeben. Russland war am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert und hat seitdem mehrere ukrainische Gebiete völkerrechtswidrig annektiert. Einschließlich der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim halten russische Truppen derzeit rund ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets besetzt.
Als den für ihn persönlich bislang schlimmsten Moment des russischen Krieges bezeichnete Selenskyj das Massaker von Butscha. Das sei der schrecklichste Tag gewesen. Er erinnerte an die Bilder von toten Zivilisten, die in dem Vorort von Kiew teils mit auf dem Rücken gefesselten Händen gefunden worden waren. Russland müsse wegen seiner Kriegsverbrechen belangt werden, forderte Selenskyj.
Seine Botschaft an Russland zum ersten Jahrestag des Invasionsbeginns laute: "Bitte respektiert unser Recht, auf unserem Land zu leben. Verlasst unser Territorium. Hört auf, uns zu bombardieren." Der Weg der Diplomatie könne nur beschritten werden, wenn Russland seine Aggression stoppe. "Hört auf, unsere gesamte Infrastruktur, Energie und Trinkwasser (zu zerstören). Hört auf, Städte und Dörfer zu bombardieren, einfach Tiere, Hunde und Katzen zu töten und Wälder abzufackeln."
G7 sagen weitere Unterstützung zu
Unterdessen sagte die Gruppe der sieben großen westlichen Industriestaaten der Ukraine weiter unbefristete Unterstützung zu. Bei einem Videogipfel hätten die Staats- und Regierungschefs der G7-Gruppe Selenskyj "versichert, dass wir die Ukraine unterstützen werden, solange das nötig ist", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach den Beratungen.
In einer Abschlusserklärung der japanischen G7-Präsidentschaft im Anschluss an die Gespräche hieß es: "Russland hat diesen Krieg begonnen und Russland kann diesen Krieg beenden. Wir fordern Russland auf, seine andauernde Aggression zu beenden und seine Truppen sofort, vollständig und bedingungslos aus dem gesamten international anerkannten Territorium der Ukraine abzuziehen." Die G7-Staats- und Regierungschefs bekräftigten ihre "unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine, solange es dauert". Die bisher ergriffenen "koordinierten Sanktionen" und andere wirtschaftliche Maßnahmen der G7 und ihrer Partnerländer gegen Russland sollten verstärkt werden, hieß es weiter.
"Dürfen nicht zulassen, dass Skrupellosigkeit gewinnt"
Scholz sagte, man sei sich einig, die Sanktionen weiterhin eng zu koordinieren und dafür Schlupflöcher zu schließen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass militärische Skrupellosigkeit gewinnt, dass Grenzen souveräner Staaten gewaltsam verschoben werden und dass sich das Recht des Stärkeren durchsetzt."
Den russischen Präsidenten Wladimir Putin forderte er abermals auf, den Krieg zu beenden. Anlass für Optimismus sehe er hier aber nicht. "Leider sehe ich auch nach einem Jahr Krieg und Blutvergießen keinerlei Bemühen Russlands, diesen verbrecherischen Krieg zu beenden", so Scholz. "Das ist bedrückend, aber wir dürfen uns davon nicht entmutigen lassen."