Neue Gewalt in der Ostukraine Schüsse auf Bürgermeister von Charkiw
Die Lage in der Ostukraine wird immer unübersichtlicher: In Charkiw wurde der Bürgermeister angeschossen, weitere Regierungsgebäude in der Region wurden besetzt. Die Bemühungen um die Freilassung der Militärbeobachter gehen weiter.
Die Lage im Osten der Ukraine spitzt sich immer weiter zu: In der Millionenstadt Charkiw wurde Bürgermeister Gennadi Kernes angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Das Rathaus sprach auf seiner Internetseite von einem "Attentat". Kernes sei durch Schüsse in den Rücken getroffen worden und müsse operiert werden. Kernes gilt nach Einschätzung von ARD-Korrespondentin Golineh Atai als pro-russisch.
Pro-russische Milizen besetzten weitere Regierungs- und Verwaltungsgebäude, unter anderem in Kostjantyniwka. Das Rathaus dort sei in der Gewalt der Separatisten, teilte eine Sprecherin des ukrainischen Innenministeriums mit. "Wir wissen nicht, was ihre Forderungen sind", sagte sie. Kostjantyniwka liegt etwa auf halbem Weg zwischen Donezk und Slawjansk.
Auf dem Militärflugplatz Kramatorsk beschossen Unbekannte zudem die Regierungseinheiten. Zwei Sicherheitskräfte wurden verletzt.
Keine Bewegung im Fall der Militärbeobachter
Mittlerweile sind rund ein Dutzend Städte unter Kontrolle pro-russischer Separatisten - auch Slawjansk, wo noch immer mehrere Militärbeobachter festgehalten werden. Die Milizen um den selbst ernannten Bürgermeister Wjatscheslaw Ponomarjow denken weiterhin nicht daran, die Männer - unter ihnen drei Bundeswehrsoldaten und ein deutscher Übersetzer - freizulassen. Zunächst seien "weitere Gespräche" nötig, sagte Ponomarjow dem russischen Staatsfernsehen.
Die bewaffneten Separatisten werfen dem Team Spionage vor. Lediglich einen schwedischen Offizier, der an Diabetes leidet, ließen die Aufständischen deswegen am Sonntag frei.
Bei einem erneuten Telefonat mit Sergej Lawrow forderte Bundesaußenminister Steinmeier seinen russischen Amtskollegen auf, ein "klares Zeichen zu setzen, dass sie das, was in Slawjansk mit den ausländischen OSZE-Beobachtern geschehen ist, nicht akzeptiert".
Ministeriumssprecher Martin Schäfer wies Vorwürfe der Separatisten zurück, das Team habe Spionage betrieben. Dies sei "total abwegig". "Das geschieht mit völlig offenem Visier. Das hat mit Spionage überhaupt nichts zu tun. Das ist das genaue Gegenteil."
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unterhält mehrere Missionen in der Ukraine. Die größte und von allen 57 OSZE-Staaten - inklusive Russland - mitgetragene Operation ist die "Special Monitoring Mission". Ihr gehören derzeit etwa 100 Beobachter an. Sie erstatten Bericht an alle Mitgliedsstaaten. Laut OSZE sind alle Beobachter dieser Mission in Sicherheit. Das gleiche gilt für eine zweite Mission, die sogenannten Election Observers. Von ihnen sind bereits 100 im Land, um die anstehende Wahl Ende Mai zu überwachen. Außerdem laufen noch zwei kleinere Missionen.
Bei den zwischenzeitlich festgehaltenen Militärbeobachtern handelt es sich nicht um offizielle OSZE-Beobachter, sondern um ein sogenanntes Military Verification Team. Es ist nicht offiziell von der OSZE entsandt, aber offenbar auf Einladung der Regierung in Kiew im Land. Ihr Aufenthalt ist durch das "Wiener Dokument 2011 der Verhandlungen über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen" gedeckt. Diese Übereinkunft wurde von allen 57 OSZE-Staaten akzeptiert. Zentraler Bestandteil ist ein Austausch von Informationen über ihre Streitkräfte und Hauptwaffensysteme. Diese dürfen durch Inspektionen überprüft werden. Eine solche wird nun in Slawjansk festgehalten.
Die deutschen Beobachter wurden vom Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr entsandt. Sie sind uniformiert, aber nicht bewaffnet.