Stop-Soros-Kampagne in Ungarn Stillschweigen über den "Staatsfeind"
Der US-Milliardär Soros wurde für sein zivilgesellschaftliches Engagement von Ungarns Regierung angeprangert - doch plötzlich herrscht Stille. Dahinter steckt wohl die Angst um Wählerstimmen.
Keine negativen Äußerungen mehr, keine Hetze, kein weiteres Wort über George Soros - so lautet nach Angaben der ungarischen Tageszeitung "Magyar Nem-zet" die Anweisung der Regierungspartei Fidesz an ihre Funktionäre. Diese Order wurde demnach wenige Wochen vor den Parlamentswahlen am 8. April ausgegeben. Auch regierungsfreundliche Medien seien von der Fidesz-Führung angehalten worden, die Attacken gegen den ungarisch-stämmigen US-Milliardär einzustellen.
George Soros im Kreis von Oppositionspolitikern, die Löcher in den Grenzzaun schneiden - das ist ein Motiv der Kampagne.
Soros galt als "Staatsfeind Nummer 1"
Bis Anfang dieser Woche bestand die Wiederwahlstrategie der Partei von Ministerpräsident Viktor Orban in der "Stop-Soros"-Kampagne. Mit sehr hohem finanziellen und medialen Aufwand hatte Orban über Monate hinweg den 87-Jährigen als eine Art "Staatsfeind Nummer 1" darstellen lassen, der Ungarn mit unzähligen Flüchtlingen destabilisieren wolle. Sogar Fernsehspots gegen Soros wurden ausgestrahlt. In einem dieser Spots heißt es etwa:
In der letzten Zeit sind mehrere Millionen Einwanderer nach Europa gekommen. Aber der Zaun, der an der ungarischen Grenze gebaut worden ist, stoppt sie. Laut George Soros sollte man diesen abbauen, und weiteren Millionen aus Afrika und dem Nahen Osten ansiedeln. Es ist gefährlich! Deswegen soll der Soros-Plan verhindert werden! Stop Soros! Im Auftrag der ungarischen Regierung.
Wahl setzt Orban unter Druck
Orbans Kehrtwende steht in einem direkten Zusammenhang mit der herben Niederlage seiner Fidesz-Partei bei der Bürgermeister-Nachwahl im südostungarischen Hodmezövasarhely. Dort hatte am Sonntag ein unabhängiger Kandidat, der von allen Oppositionsparteien unterstützt worden war, mit großem Vorsprung vor dem Fidesz-Kontrahenten gewonnen.
Anschließend beharrte Orban auf seinem Abschottungskurs: "Es geht nur um eine Sache: Ob wir ein Einwanderungsland werden oder nicht. Falls wir dranbleiben, wird Ungarn kein Einwanderungsland werden." Parteiintern war allerdings Kritik am Kurs des Ministerpräsidenten geäußert worden: Ungarn habe andere Probleme als allein die Flüchtlingspolitik.
Andras Bencsik, Chefredakteur der regierungsnahen Wochenzeitung "Demokrata", gab die Stimmung in der Fidesz mit den Worten wider: "Ich denke, man sollte mit diesem Grundschulniveau der Soros-Kampagne aufhören. Die ungarische Gesellschaft ist viel intelligenter." Zudem rief der Chefredakteur einen Satz Orbans aus dem Wahlkampf 2002 in Erinnerung: "Jeder soll einen Mitmenschen mitnehmen", hatte Orban damals gesagt. "Dieser Satz hat sich in die Herzen der Leute eingeprägt", so Bencsik.
Von negativen Parolen zu Smiley-Botschaften
Im Jahr 2002 hatte Orbans Fidesz-Partei die Parlamentswahlen an die Sozialisten verloren. Vier Jahre später schaltete die Partei auf einen Negativwahlkampf und unterlag erneut. Die jetzige Kehrtwende - weg von einer negativen und hin zu einer positiven Wahlkampfbotschaft - erfolgt wenige Wochen vor den Wahlen Anfang April.
Fidesz-Politiker würden die Anweisung ihrer Parteiführung befolgen, beobachtet das Internetportal "Index". Die Funktionäre posteten auf ihren Facebook-Seiten nur noch "positive Botschaften" - und viele Smileys.