Wählerrechte in den USA Wie Stacey Abrams Geschichte schrieb
Bei den US-Wahlen hatte sie nicht kandidiert, und doch wird Stacey Abrams ein wichtiger Anteil am Sieg der Demokraten zugesprochen - dank ihres Einsatzes für die Rechte der Wähler.
2018 musste die Demokratin Stacey Abrams noch eine herbe Niederlage hinnehmen, als sie für das Amt der Gouverneurin von Georgia kandidierte. Nun zählen US-Medien und Politiker die Anwältin zu den wichtigsten politischen Persönlichkeiten des Landes, denn als Kämpferin für Wahlrechte insbesondere benachteiligter Bevölkerungsgruppen habe sie zum Wahlsieg der Demokraten beigetragen, und das über ihren Bundesstaat Georgia hinaus.
Seit 1992 republikanisch dominiert, gewannen die Demokraten in dem Südstaat mit mehr als 40 Prozent afroamerikanischer und lateinamerikanischer Bevölkerung im November erstmals wieder die Präsidentschaftswahl. Sie belegen sechs von 14 Sitzen im Repräsentantenhaus. Wenn sich die Medienprognosen der Stichwahl am 5. Januar in Georgia bestätigen, dann erlangen die Demokraten zwei weitere Senatorenposten und kontrollieren damit für die nächsten zwei Jahre neben dem Repräsentantenhaus auch den Senat.
Dabei habe sich die Arbeit Abrams' und ihrer Mitstreiter nicht nur auf Georgia beschränkt, sie sei auch in anderen umkämpften Bundesstaaten erfolgreich gewesen, schrieb zum Beispiel der Chef der Demokraten in Wisconsin, Ben Wikler. Auch Initiativen wie das Lincoln Project republikanischer Aktivisten gegen Donald Trump sprachen ihr wichtigen Einfluss zu.
Kampf für mehr Gerechtigkeit
2018 hatte sie mit gerade einmal 55.000 Stimmen gegen ihren republikanischen Konkurrenten verloren, der als Innenminister von Georgia Einfluss auf die Wahlvorbereitungen hatte nehmen können. Doch Abrams focht die Wahl nicht an. Sie entschied sich für einen größeren Kampf um mehr Gerechtigkeit für benachteiligte Wähler wie Schwarze, Einwanderer und Menschen mit geringem Einkommen.
Ihnen werde die Stimmabgabe gezielt erschwert, stellte sie fest, indem beispielsweise zu wenige Wahllokale in ihren Vierteln eingerichtet, Wahlzettel und Briefwahlstimmen zurückgewiesen würden, beklagte sie. 2018 seien auch Wählerregister von Tausenden Stimmberechtigten "bereinigt" worden. Laut einer Analyse der Agentur AP waren davon überproportional viele schwarze Wähler betroffen.
Als Wahlrechtsaktivistin trug Abrams dazu bei, dass mehr Wahlberechtigte ihre Stimme abgaben.
Mit ihrer Kritik an den US-Wahlrechten und deren Umsetzung stand Abrams bei weitem nicht allein. Neben einheimischen Organisationen bemängelte auch die internationale Wahlbeobachtungsorganisation ODIHR der OSZE bei US-Wahlen immer wieder, dass Millionen Stimmberechtigten die Ausübung ihres Rechts erschwert oder gar unmöglich gemacht wurde.
So hielt ODIHR im Zwischenbericht zur Wahl im November fest, dass noch immer 5,2 Millionen Bürger aufgrund strafrechtlicher Verurteilungen ihr Wahlrecht nicht ausüben dürfen, auch wenn etwa die Hälfte von ihnen ihre Strafe bereits verbüßt habe. Dies verstoße gegen internationale Standards.
2020 hätten infolge der Corona-Pandemie noch einmal 20 Prozent weniger Wahllokale bereit gestanden. Zudem habe eine noch nie dagewesene Anzahl an Klagen in 44 Bundesstaaten zu Verunsicherung und einer "unangemessenen Belastung" für viele Wähler und mit der Wahlverwaltung befasste Beamte beigetragen, so ODIHR.
Die meisten der mehr als 400 Klagen befassten sich mit Maßnahmen, die das Wählen während der Corona-Pandemie erleichtern und die Gesundheitsrisiken verringern sollten. Bundesgerichte hätten dabei oft nach parteipolitischen Prinzipien entschieden, so eine weit verbreitete Auffassung. Am Ende wurden einige Erleichterungen durchgesetzt. So konnten sich mehr Stimmberechtigte als bei früheren Wahlen online oder "automatisch" registrieren und schon vor dem Wahltag per Briefwahl oder in vorzeitig geöffneten Wahllokalen abstimmen.
Aufklärung über Wählerrechte
Abrams sah ihre Aufgabe darin, Stimmberechtigte dazu zu motivieren, sich für Wahlen zu registrieren und vor allem junge und schwarze Wähler über ihre Rechte aufzuklären und sie durchzusetzen. Dafür rief sie neben ihrer bestehenden Initiative New Georgia Project die Aktion Fair Fight ins Leben. Die Organisation bildete Wählerschutzteams im ganzen Land. Es entstand eine Koalition mit Initiativen wie Black Voters Matter oder Urban League of Greater Atlanta, die vor allem in den Vororten aktiv waren.
Nachwahlbefragungen des Umfrageinstituts Edison Research nach der Stichwahl über die zwei Senatorenposten am 5. Januar sprechen dafür, dass Abrams und ihre Mitstreiter noch einmal mehr Unterstützer für die Demokraten besonders unter jungen, schwarzen und hispanischen Wählern gewinnen konnten. Diese Gruppen jedenfalls stimmten laut Umfrageergebnis in noch größerer Zahl für die Demokraten als im November.
Bei der Präsidentschaftswahl im November war die Wählerzahl im gesamten Land höher als je zuvor. Joe Biden gewann mit 78 Millionen Stimmen. Aber auch Donald Trump lag mit 73 Millionen noch vor Barack Obama, der 2008 drei Millionen Stimmen weniger erhalten hatte.
Gründe sind in der gestiegenen Bevölkerungszahl sowie in der massiven Polarisierung zu finden, die mehr Menschen als früher zur Stimmabgabe motiviert haben. Hinzu kamen die Folgen der Corona-Pandemie, die Abertausende an den Rand der Existenz brachten. Initiativen wie jene von Abrams trugen dazu bei, dass mehr Stimmberechtigte ihren Willen auch per Stimmabgabe zum Ausdruck brachten - zum Vorteil der Demokraten.
In den sozialen Medien wird bereits darüber diskutiert, welche Aufgabe Abrams nun übernehmen könnte. Bedarf an Verbesserungen des Wahlsystems gibt es, so beschreibt es auch ODIHR, weiterhin an vielen Stellen.