Nach der Wahl Ratlos in Reykjavik
Die Mitte-Rechts-Regierung ist abgewählt, für das Mitte-Links-Bündnis reicht es aber nicht - Island hat ein Problem. Keine klaren Mehrheiten und zudem gleich zwei skandalbelastete Politiker, die weiter mitmischen wollen. Nach der Wahl sind kreative Lösungen gefragt.
Die Isländer können froh sein, dass unterschiedliche Experten für die Vorhersagen von Vulkanausbrüchen und Wahlen zuständig sind. Die Vulkanologen gelten als verlässlich, die Wahlforscher dagegen haben wieder einmal kräftig daneben gelegen. 2016 hatten sie einen Erdrutschsieg der Piraten für wahrscheinlich erklärt, der dann aber ausfiel; diesmal eine Mitte-Links-Koalition aus Linksgrünen, Sozialdemokraten und Piraten. Auch sie wird es nicht geben. Zwar legten die Linksgrünen leicht zu und erreichten als zweitstärkste Kraft etwa 17 Prozent der Stimmen, die Sozialdemokraten liegen bei zwölf, doch die Piraten sind von knapp 15 auf etwa neun Prozent gefallen. Damit haben die drei keine Mehrheit.
Jubel beim Verlierer
Aber das gilt auch für die alte Mitte-Rechts-Koalition. Sie ist abgewählt. Trotzdem erklärte sich der bisherige Regierungschef zum Wahlsieger: Bjarni Benediktsson, dessen Vater mit dem heimlichen Versuch, das Strafregister eines verurteilten Vergewaltigers nach dessen Entlassung aus dem Gefängnis löschen zu lassen, den Bruch der Koalition verursacht hatte. Seine Partei bleibt trotzdem mit etwa 25 Prozent Islands Nummer Eins: "Vor einem Jahr haben wir gesagt, dass wir die richtige Politik machen und dafür haben wir viel Unterstützung bekommen. So sieht es auch diesmal wieder aus."
Er ist wieder da
Doch bei allem Jubel, Benediktsson hat ein Problem: Einer der bisherigen Koalitionspartner, die "Strahlende Zukunft", ist nicht mehr im Parlament vertreten. Dafür zieht die neue Zentrumspartei mit mehr als zehn Prozent ein. Sie wurde von Sigmundur Gunnlaugsson gegründet, dem 2016 über die "Panama Papers" gestolperten Ex-Premier. Er ist also wieder da, und Benediktsson bleibt bedeutend. Zwei skandalbelastete Politiker. Ohne sie wird es schwer, eine neue Regierung zu bilden. Mit ihnen aber erst recht.
Nicht skandalfrei: die Politiker Benediktsson (links) und Gunnlaugsson
Ein zähes Koalitionsgeschacher ist sicher und eine für Island ungewöhnliche Regierungsform möglich, sagt der Politikwissenschaftler Eirikur Bergmann: "Wir stehen wahrscheinlich vor sehr schwierigen Verhandlungen. Die vergangenen waren bei sieben Parteien im Parlament schon kompliziert, jetzt sind es acht. Das macht die Sache noch problematischer." Vielleicht müsse Island das skandinavische Modell der Minderheitsregierung übernehmen. Das sei zwar nicht Teil der isländischen Kultur, könne jetzt aber notwendig werden.
Linksgrüne wollen regieren
Eine solche, dann vielleicht Mitte-Linksgrüne Minderheitsregierung könnte funktionieren, meint Katrín Jakobsdóttir, sie ist die Chefin der Linksgrünen. Auch wenn Island seit der Unabhängigkeit 1944 meist konservativ und mit mehr oder weniger klaren Mehrheiten regiert worden ist. "Wir bleiben unserer Vision treu, komme, was mag. Ich hoffe, dass wir nach der Auszählung aller Stimmen nicht nur in der Regierung sitzen, sondern sie anführen werden, um unsere Gesellschaft für alle besser zu machen."