Neue Prognose Weltbevölkerung schrumpft ab 2064
Die Weltbevölkerung wächst - aber womöglich nicht so stark wie bisher erwartet. Laut einer Studie wird der höchste Wert 2064 erreicht - danach schrumpft die Weltbevölkerung. Das ist nicht für alle Regionen eine gute Nachricht.
Die Weltbevölkerung soll laut einer groß angelegten Studie bis 2100 deutlich weniger wachsen als bislang von den Vereinten Nationen vorhergesagt. Ein internationales Forscherteam kam zu dem Ergebnis, dass bis zum Ende des Jahrhunderts voraussichtlich 8,8 Milliarden Menschen auf der Erde leben werden - zwei Milliarden weniger als laut aktuellen UN-Prognosen. Die Studie wurde im renommierten Medizin-Fachblatt "The Lancet" veröffentlicht.
Laut der Prognose wird der höchste Wert im Jahr 2064 erreicht - dann soll es rund 9,7 Milliarden Menschen auf der Welt geben. Danach erwarten die Forscher eine rückläufige Geburtenrate: In 183 von 195 Ländern werde sie so weit sinken, dass die Bevölkerungszahl ohne Einwanderung nicht mehr aufrecht erhalten werden könne.
Mehr Frauen haben Zugang zu Bildung und Verhütung
Mehr als 20 Länder, darunter Japan, Spanien, Italien und Polen, werden der Studie zufolge bis 2100 die Hälfte ihrer Bevölkerung verlieren. Auch das bevölkerungsreichste Land China werde von aktuell 1,4 Milliarden auf rund 730 Millionen Einwohner zum Jahrhundertende schrumpfen. Wachsen werden der Prognose zufolge hingegen Länder in Afrika südlich der Sahara. Nigeria könnte demnach in 80 Jahren mit 800 Millionen Menschen nach Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde werden.
"Wenn Frauen mehr Zugang zu Bildung und Verhütungsmitteln bekommen, entscheiden sie sich im Durchschnitt für weniger als 1,5 Kinder", erklärte der Leiter der Studie, Christopher Murray von der Washington-Universität in Seattle. Die Entwicklung sei eine "gute Nachricht" für die Umwelt, sagte Murray der Nachrichtenagentur AFP, denn eine kleinere Weltbevölkerung könne die Nahrungsmittelproduktion zurückfahren und den Ausstoß von Treibhausgasen senken.
Alternde Gesellschaften stehen vor Herausforderungen
Für Länder in Subsahara-Afrika bringt das dort prognostizierte Bevölkerungswachstum nach Ansicht von Murray wirtschaftliche Chancen mit sich. Für die meisten Länder außerhalb von Afrika dürfte die sinkende Zahl an Arbeitskräften aber "tiefgreifende negative Folgen für die Wirtschaft" haben.
So sinke die Zahl der Arbeitskräfte in China beispielsweise von rund 950 Millionen heute auf 350 Millionen 2100 - ein Rückgang von 62 Prozent. Die alternden Gesellschaften müssten daher ihre Sozial- und Gesundheitssysteme reformieren, mahnten die Studienautoren. Da die Lebenserwartung zudem steige, nehme die Zahl der Menschen, die älter als 80 Jahre sind, von 140 Millionen auf 866 Millionen zu.
Länder mit hohem Einkommen könnten diesen Entwicklungen mit einer flexiblen Einwanderungspolitik und sozialer Unterstützung für Familien mit Kindern begegnen, hieß es in der Studie. Murray warnte davor, dass manche Länder angesichts dieser Prognosen den Zugang zu Verhütungsmitteln beschränken könnten.
Geopolitische Machtverhältnisse verschieben sich
Der wesentliche Faktor, warum Murrays Team auf ein deutlich geringeres Wachstum der Weltbevölkerung kommt als die UN, ist die angenommene Geburtenrate. Während die Vereinten Nationen in ihren Prognosen über das Jahrhundert von einer Geburtenrate von 1,8 Kindern pro Frau ausgehen, wird sie laut den Analysen von Murray und seinen Kollegen auf unter 1,5 Kinder pro Frau fallen. Für eine stabile Bevölkerungszahl ist eine Geburtenrate von 2,1 Kindern pro Frau nötig.
Der Chefredakteur des Journals "The Lancet", Richard Horton, erklärte, die Studie zeige eine radikale Verschiebung der geopolitischen Machtverhältnisse. "Am Ende dieses Jahrhunderts wird die Welt eine multipolare sein, in der Indien, Nigeria, China und die USA die wichtigsten Mächte sind."