Umstellen der Uhr Aus der Zeit gefallen?
Aus drei mach zwei - in dieser Nacht ist der Stundenzeiger wieder zurückgewandert. Die EU will die Umstellung abschaffen. Doch dafür muss sich jedes ihrer Mitglieder fragen: In welcher Zeit wollen wir denn leben?
Nachtschwärmer haben ihn in dieser Nacht wieder erleben dürfen: diesen Moment wenn der Minutenzeiger der Uhr Stück für Stück auf die drei zu rückt und dann - schwupps - wird aus der drei die zwei. Da ist sie, die eine Stunde mehr, die uns in die Normalzeit des Winters katapultiert.
Doch bei Vielen ist dieses Drehen an der Uhr unbeliebt: Unnötig sei es und eigentlich doch schon längst überholt. Daher könnte dieser eine kurze nächtliche Moment diesmal vielleicht ein ganz besonderer werden - sozusagen der Abschied von der Zeitumstellung zwischen Sommer und Winter.
Jeder Vierte spürt Umstellung auch körperlich
In Deutschland wird seit 38 Jahren an der Uhr gedreht, EU-weit gibt es die einheitliche Zeitumstellung seit 1996. Die Idee dahinter: Das Tageslicht besser ausnutzen und dadurch den Energieverbrauch senken. Das mag gut für die Stromrechnung sein, doch laut einer Umfrage der Krankenkasse DAK bekommt jeder vierte Deutsche den Zeitenwechsel auch gesundheitlich zu spüren. Schlafprobleme, Mattigkeit bis hin zur Depression. Die Barmer nutzt die Zeitumstellung sogar als Anlass, um allen Schlaflosen am Wochenende am Telefon durch die ungewollt wachen Stunden zu helfen. In mehreren Bundesländern will die Krankenkasse in der Nacht zu Sonntag Hotlines schalten, wo sich Betroffene von Schlafstörungen Tipps für den Schlummer holen können.
Der Unmut über das Hin- und Her zwischen Sommer- und Winterzeit ist inzwischen auch zur politischen Ebene der EU durchgedrungen. Immerhin hatten sich bei einer von der EU durchgeführten Online-Umfrage Ende August 84 Prozent der rund 4,6 Millionen Teilnehmer für die Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. Dabei scheinen vor allem die Deutschen Wechselmuffel zu sein: Etwa drei Millionen der Abstimmenden stammten aus der Bundesrepublik.
Staaten sollen bis April Zeit wählen
Die EU jedenfalls will den Ruf nach einer ganzjährig einheitlichen Zeit erhören. Im September machte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker klar: "Die Leute wollen das, also machen wir das." Und wenn es nach dem Kommissionschef geht, soll das Aus für die Umstellung schnell umgesetzt werden. Bis April sollen die EU-Staaten entscheiden, ob sie künftig dauerhaft in der Zeitrechnung des Winters leben wollen oder sich sozusagen in eine ewig sommerliche Zeitzone begeben. Ist nach dieser Nacht für die Zeitumstellung also sprichwörtlich die Zeit abgelaufen?
Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Derzeit gibt es drei Zeitzonen in der EU. Dabei gilt in 16 Staaten, darunter Deutschland, dieselbe Zeit. Acht Länder sind Deutschland eine Stunde voraus, drei hinken eine Stunde hinterher. Und die EU-Staaten, die der Abschaffung der Zeitumstellung immerhin mehrheitlich zustimmen müssen, sind noch recht uneins, ob der Zeitwechsel überhaupt weg soll und wenn ja, welche Zeit für sie die richtige ist.
Im Baltikum etwa ist man mit der Mehrheit der Deutschen einer Meinung: Eine dauerhafte Sommerzeit soll es sein. Die Slowakei hingegen fühlt sich der Winterzeit näher und Portugal etwa will sich vom Drehen an der Uhr gar nicht verabschieden. Wird die EU künftig also zu einem Zeiten-Flickenteppich? Oder scheitert die Abschaffung gar schon, weil in der Abstimmung darüber keine Mehrheit erzielt werden kann?
Ein Albtraum für den Flugverkehr
Und dann wäre da ja auch noch die Wirtschaft. Für viele Branchen, gerade in Tourismusregionen, würde sich eine ewige Sommerzeit wohl eher auszahlen: Länger hell bedeutet demnach auch mehr Umsatz. Aber es gibt auch die Branchen, die sich beim Gedanken an eine EU, in der hier die eine Zeit und im nächsten Staat eine andere Zeit gilt, die Haare raufen. Der Flugverkehr etwa. Immerhin sind die Flugpläne schon jetzt eng durchgetaktet: Start und Landung in dem befürchteten Flickenteppich noch zu koordinieren - in den Augen der Airlines ein Organisationschaos.
Es gibt also noch ziemlichen Diskussionsbedarf über den Wechsel auf dem Zifferblatt. Am Montag sollen die EU-Verkehrsminister erstmals gemeinsam debattieren. Und die Zeitumstellung bekommt vielleicht noch einen kleinen Aufschub - bis ihr endgültig die Zeit ausgeht.