Bundesrat Kein Ganztagsanspruch für Grundschüler
Vorerst wird es keinen Rechtsanspruch von Grundschülern auf Ganztagsbetreuung geben. Der Bundesrat lehnte das Gesetz ab. Nun muss ein Ausschuss vermitteln. Die Pflegereform und das Corona-Aufholprogramm für Kinder billigte die Kammer.
Das Gesetz der Großen Koalition zum Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern ist vorerst gescheitert. Die Länderkammer stimmte dem Vorhaben nicht zu und rief den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag an. Die Länder fürchten, finanziell überfordert zu werden. Grundschulkinder sollen nach Plänen der Regierung von 2026 an einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz erhalten.
Der Bundestag hatte das Gesetz vor zwei Wochen beschlossen. Damit es in Kraft treten kann, muss nun im Vermittlungsverfahren eine Einigung zwischen Bund und Ländern gefunden werden. Das Gremium könnte demnächst tagen, Bundestag und Bundesrat könnten dann im September eine etwaige Einigung billigen.
"Rechtsanspruch mit der Brechstange"
Die Länder monieren, die Kosten des Ausbaus seien zu niedrig angesetzt worden. Sie verlangen vom Bund, einen größeren Anteil der Investitionskosten und der auf Dauer anfallenden Betriebskosten zu übernehmen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, es reiche nicht, einen Rechtsanspruch einzuführen. Die Länder bräuchten auch die notwendigen Mittel, ihn umzusetzen. "Der Bund gibt den großen Familienversteher, bleibt aber sehr bescheiden bei der Verantwortung, das auch zu finanzieren", kritisierte Kretschmann. NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) warf dem Bund vor, den Rechtsanspruch "mit der Brechstange" durchsetzen zu wollen.
Die amtierende Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) äußerte sich nach der Abstimmung enttäuscht. "Kinder und Familien in unserem Land haben dieses Signal nicht verdient." sagte sie. Der Bund sei den Ländern an vielen Stellen sehr weit entgegenkommen. Sie mahnte eine schnelle eine Lösung an.
Kosten von 4,5 Milliarden Euro im Jahr
Um die Acht-Stunden-Betreuung in der Grundschule war lange gerungen worden. Geplant ist eigentlich, dass jedes Kind, das ab Sommer 2026 eingeschult wird, in den ersten vier Schuljahren Anspruch auf einen Ganztagsplatz bekommt. Es wird davon ausgegangen, dass dafür bis zu eine Million zusätzliche Plätze geschaffen werden müssen. Milliardeninvestitionen in Räume und Ausstattung sind nötig.
Hinzu kommen geschätzte Personal- und Betriebskosten von bis zu 4,5 Milliarden Euro im Jahr. Der Bund will den Ländern nach bisherigen Plänen 3,5 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellen und sich langfristig mit knapp einer Milliarde Euro jährlich an den laufenden Betriebskosten beteiligen. Die Länder kritisieren das als zu niedrig und fordern, dass der Bund die Hälfte der Betriebskosten übernimmt.
Corona-Aufholprogramm für Schüler bestätigt
Die Länderkammer gab für eine Reihe weiterer Maßnahmen grünes Licht. So kann das sogenannte Corona-Aufholprogramm für Kinder und Jugendliche starten. Die Länder stimmten für eine Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern. Der Bund überlässt damit den Ländern mehr Anteile aus der Umsatzsteuer, so dass sie zusätzliche Maßnahmen zur Lernförderung finanzieren, Sozialprojekte ausweiten und mehr kostenlose oder günstige Freizeit-, Sport- und Erholungsangebote anbieten können.
Bessere Bezahlung für Pflegekräfte
Auch der Weg für eine Pflegereform mit Entlastungen für Pflegebedürftige und einer besseren Bezahlung von Pflegekräften ist frei. Der Bundesrat ließ ein Gesetz passieren, wonach es Versorgungsverträge ab September 2022 nur noch mit Einrichtungen geben darf, die Pflegekräfte nach Tarifvertrag oder in ähnlicher Höhe bezahlen. Heimbewohner sollen ab Januar 2022 Zuschläge bekommen, die ihre Zuzahlungen für die reine Pflege senken.
Zur Finanzierung soll der Pflegebeitrag für Menschen ohne Kinder von 3,3 auf 3,4 Prozent steigen. Der Bund gibt ab 2022 außerdem einen Zuschuss von jährlich einer Milliarde Euro in die Pflegeversicherung.
Entschädigung für AKW-Betreiber und weitere Beschlüsse
Die Bundesländer stimmten auch dem Lieferkettengesetz zu. Damit sind größere Unternehmen von 2023 an verpflichtet, auf Missstände beim Kauf von Produkten und Teilen aus dem Ausland zu reagieren und Abhilfe zu schaffen, wenn ihnen diese bekannt werden. Hilfsorganisationen und Gewerkschaften bekommen die Möglichkeit, Betroffene vor deutschen Gerichten zu vertreten, wenn es Verstöße gibt.
Die Kammer billigte zudem eine Änderung des Atomgesetzes. Damit steht Energiekonzernen wegen des Atomausstiegs Entschädigung zu. Deutschland zahlt den Unternehmen demnach einen Ausgleich in Höhe von insgesamt gut 2,4 Milliarden Euro.
Darüber hinaus muss künftig in Vorständen großer börsennotierter Unternehmen in Deutschland ab dem vierten Mitglied künftig mindestens eine Frau vertreten sein. Der Bundesrat billigte auch das Gesetz, das die Rehabilitierung diskriminierter schwuler Soldaten vorsieht. Jene Soldaten, die bis zum Stichtag 2. Juli 2000 wegen ihrer Homosexualität dienstrechtlich erhebliche Nachteile erfuhren, sollen Wiedergutmachung erhalten.