Nach Urlaubsvorwürfen Familienministerin Spiegel tritt zurück
Nach massiver Kritik an ihrer Urlaubsreise kurz nach der Flutkatastrophe an der Ahr hat Familienministerin Spiegel ihren Rücktritt erklärt. Die Grünen-Spitze will über ihre Nachfolge rasch entscheiden.
Die Grünen-Politikerin Anne Spiegel ist vom Amt der Bundesfamilienministerin zurückgetreten. Hintergrund ist ihr Umgang mit der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz im Sommer 2021. "Ich habe mich heute aufgrund des politischen Drucks entschieden, das Amt der Bundesfamilienministerin zur Verfügung zu stellen", sagte die 41-Jährige laut einer Mitteilung ihres Ministeriums.
"Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht", so Spiegel weiter. Die Ministerin scheidet damit rund vier Monate nach der Vereidigung der Bundesregierung aus dem Amt.
Spiegel war in die Kritik geraten, weil sie als damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin zehn Tage nach der Flut zu einem vierwöchigen Familienurlaub nach Frankreich aufgebrochen war und diesen nur einmal für einen Ortstermin im Ahrtal unterbrochen hatte. Bei einem emotionalen Auftritt hatte Spiegel den Urlaub am Sonntagabend als Fehler bezeichnet und sich dafür entschuldigt. Dabei räumte sie auch ein, dass sie sich anders als ursprünglich mitgeteilt nicht aus den Ferien zu den Kabinettssitzungen zugeschaltet hatte.
Grünen-Spitze befürwortet Entscheidung
Die Grünen-Spitze nannte den Rücktritt von Spiegel richtig. Über ihre Nachfolge solle rasch entschieden werden, sagten die Co-Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour am Rande einer Klausurtagung. "Wir werden sehr bald, zeitnah, einen Vorschlag unterbreiten für die Nachfolge", so Nouripour. Spiegel habe gute Arbeit geleistet und jetzt Verantwortung übernommen.
Baerbock: "Habe den größten Respekt"
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zeigte sich bewegt vom Rücktritt: "Anne Spiegel ist durch eine extrem harte, persönlich unglaublich schwere Zeit gegangen", sagte die Grünen-Politikerin. "Mit dem heutigen Tag ist für sie nicht nur politisch, sondern auch persönlich ein Weg beschritten worden, der glaube ich deutlich macht, wie brutal Politik sein kann." Dies sei "eine Mahnung für uns alle in der Politik."
Der Rücktrittsentscheidung Spiegels zollte Baerbock Anerkennung. "Ich habe größten Respekt vor ihrer heutigen Entscheidung und möchte deutlich sagen: Die Bundesregierung, wir als Kabinett, verlieren eine unglaublich tolle Familienministerin, die mit Leidenschaft für Familien, für Kinder, für Frauen in diesem Land brennt und die vor allen Dingen eines der größten Reformprojekte dieser Koalition auf den Weg gebracht hat: die Kindergrundsicherung."
Rückendeckung von Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz habe die Entscheidung Spiegels mit großem Respekt zur Kenntnis genommen, teilte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Christiane Hoffmann, mit. Noch kurz vor ihrem Rücktritt hatte Spiegel Rückendeckung von Scholz erhalten. "Was die Zusammenarbeit in der Regierung angeht, so schätzt der Bundeskanzler die Ministerin und arbeitet mit ihr eng und vertrauensvoll zusammen", hatte Hoffman gesagt.
Auch der Koalitionspartner FDP sprach von "Respekt". "Wir wünschen Frau Spiegel und ihrer Familie alles Gute", sagte Parteichef Christian Lindner der "Rheinischen Post".
CSU-Vorsitzende: Schritt war "überfällig"
Die stellvertretende CSU-Vorsitzende Dorothee Bär sagte der "Augsburger Allgemeinen", "der Rücktritt ist aufgrund der vielen Fehler und Lügen überfällig und richtig."
Über das Wochenende war vor allem aus der Union die Kritik an Spiegel lauter geworden. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach von einem "Glaubwürdigkeitstest für SPD und Grüne". "SPD und Grüne haben sich hier in Nordrhein-Westfalen in der letzten Woche moralisch sehr hoch aufgeschwungen und über Ursula Heinen-Esser gerichtet", sagte der CDU-Politiker. "Die müssen jetzt klarstellen, ob diese Ansprüche unabhängig vom Parteibuch gelten oder nur dem Wahlkampf geschuldet waren."
Heinen-Esser hatte ihr Amt als Umweltministerin am Donnerstag niedergelegt, nachdem bekannt geworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca den Geburtstag ihres Ehemannes gefeiert hatte.