Abstimmung im Deutschen Bundestag.
Player: videoMarkus Preiß, ARD Berlin, und Anja Kohl, HR, zu den Auswirkungen des Finanzpaketes

Grundgesetzänderungen Bundestag beschließt Schuldenpaket

Stand: 18.03.2025 18:43 Uhr

Der Bundestag hat den Weg für historisch hohe Kredite für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz geebnet. Die Abgeordneten stimmten den dafür nötigen Grundgesetzänderungen mit Zweidrittelmehrheit zu.

Der Bundestag hat das von Union und SPD eingebrachte Schuldenpaket beschlossen. Mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit verabschiedete das Parlament eine Grundgesetzänderung, nach der Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit ab einer bestimmten Höhe von der Schuldenbremse ausgenommen werden.

Beschlossen wurde auch ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Infrastrukturausgaben. Zudem wird die bislang strenge Schuldenregel für die Bundesländer gelockert.

Für die Änderungen stimmten 512 Abgeordnete, 206 votierten dagegen. Es gab keine Enthaltungen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hatte in der Sitzung leicht andere Zahlen verkündet, nämlich 513 Ja-Stimmen und 207 Nein-Stimmen. Das wurde nachträglich korrigiert. 

Für die Zweidrittelmehrheit waren 489 Ja-Stimmen erforderlich. Das Paket wurde noch vom Bundestag in alter Besetzung beraten und abgestimmt.

Abweichler bei Union, SPD und Grünen

Innerhalb von Union, SPD und Grünen, die sich zuvor in zähen Verhandlungen auf das Vorhaben geeinigt hatten, gab es lediglich drei Abgeordnete, die mit Nein stimmten: Jan Dieren (SPD), Mario Czaja (CDU) und Canan Bayram (Grüne). Das geht aus einer nach der namentlichen Abstimmung vom Bundestag veröffentlichten Liste hervor.

Sieben weitere Abgeordnete gaben ihre Stimme nicht ab, weil sie zum Beispiel aus Krankheits- oder anderen Gründen oder auch bewusst nicht teilnahmen: Nezahat Baradari von der SPD, Ronja Kemmer und Jens Koeppen von der CDU sowie Tessa Ganserer, Sabine Grützmacher, Tabea Rößner und Beate Walter-Rosenheimer von den Grünen.

Kontroverse Debatte

Der Entscheidung vorausgegangen war eine kontroverse und teils turbulente Debatte im Plenum. Einige Abgeordnete nutzten die Gelegenheit für ihre Abschiedsrede, da sie dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören. Bei der FDP und dem BSW gilt das für alle Abgeordnete.

Der wahrscheinliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz musste sich harsche Kritik aus den Reihen der AfD, der FDP, des BSW und der Linken anhören. Aber auch Abgeordnete von den Grünen, die das Schuldenpaket mit CDU, CSU und SPD ausgehandelt hatten, rechneten mit Merz ab.

Merz und Klingbeil verteidigen Pläne

Der Unionsfraktionschef verteidigte hingegen die  Milliardenschulden mit Verweis auf die Sicherheit Deutschlands, Europas und der NATO. "Es ist ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet", sagte der Noch-Nicht-Kanzler mit Blick auf Russland.

Mit Blick auf das Sondervermögen für Infrastrukturausgaben versicherte der CDU-Chef, dies verringere nicht den Konsolidierungsdruck der öffentlichen Haushalte. Er kündigte Sparmaßnahmen und einen Rückbau der Bürokratie an.

Darüber verhandelt die Union gerade mit der SPD in den Koalitionsgesprächen. Die Noch-Kanzlerpartei dürfte zum Juniorpartner der Union werden. Das riesige Finanzpaket, über das der Bundestag in alter Besetzung heute abstimmte, hatten Union und SPD zusammen vereinbart.

SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil warb mit Vorteilen der geplanten Investitionen für Bürgerinnen und Bürger. "Dieses Paket wird die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag entlasten." Auch er pochte auf Reformen. Geld alleine könne die Herausforderungen, vor denen das Land stehe, nicht lösen. "Wir müssen überall effizienter, zielgenauer und professioneller werden."

Friedrich Merz

Unionskanzlerkandidat Merz verteidigte die Schuldenpläne.

Pistorius warnt: "Wir dürfen keine Zeit verlieren"

Für die Bundesregierung rechtfertigte Verteidigungsminister Boris Pistorius das schnelle Vorgehen mit einem Beschluss noch im alten Bundestag. "Wer heute zaudert, wer sich heute nicht traut, ... der verleugnet die Realität", sagte der SPD-Politiker in der Debatte. "Wir dürfen keine Zeit verlieren."

Deutschland fahre mit Blick auf seine Infrastruktur auf Verschleiß, so Pistorius. Zugleich stehe Europa vor der bislang wohl größten sicherheitspolitischen Herausforderung. "Unsere Sicherheit darf nicht durch haushaltspolitische Zwänge gefährdet werden."

Scharfe Kritik von FDP und AfD

Scharfe Kritik an den Plänen kam von mehreren Seiten. FDP-Fraktionschef Christian Dürr, dessen Partei dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören wird, warf der Union vor, sich gegen wirtschaftlichen Erfolg des Landes zu entscheiden. "Viel Geld, keine Reformen. Das wird Ihre Kanzlerschaft kennzeichnen", sagte Dürr Merz voraus. Die FDP ist strikt gegen eine dauerhafte Aufweichung der Verschuldungsregeln.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla warf Merz vor, nicht nur kein Rückgrat zu haben, sondern inzwischen "komplett wirbellos" zu sein. "Hier soll planlos die Staatsverschuldung in den Himmel getrieben werden", bemängelte er. 

Kritik an Merz von den Grünen

Die Grünen, die Union und SPD noch erhebliche Zugeständnisse am Finanzpaket abgerungen hatten, formulierten dennoch scharfe Kritik am Vorgehen der Union. So rechnete Fraktionschefin Britta Haßelmann mit Merz ab. Alle, auch Merz, hätten bereits im vergangenen Jahr gewusst, dass Deutschland dringend Investitionen und zugleich mehr Geld für die Verteidigung brauche. Er und seine Partei aber hätten das öffentlich nie zugegeben und die Grünen sogar noch für entsprechende Forderungen diffamiert. "Aber ich bin dennoch in der Sache froh, dass wir das jetzt heute so entscheiden, denn es ist notwendig für unser Land", sagte Haßelmann. 

BSW sorgt für Eklat

Für Aufsehen sorgte der vorerst letzte Auftritt des BSW. Nach der von heftigen Angriffen auf Union, SPD und Grünen geprägten Rede von Namensgeberin Sahra Wagenknecht hielten die Abgeordneten des BSW Transparente in die Höhe, was im Plenarsaal nicht erlaubt ist und der Gruppe einen Ordnungsruf von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) einbrachte.

In ihrer Rede forderte Wagenknecht erneut eine Neuauszählung der Stimmen der Bundestagswahl und sprach von systematischen Zählfehlern. Das BSW hatte den Einzug in das Parlament nur sehr knapp verfehlt.

Sahra Wagenknecht und Mitglieder ihrer Gruppe hält ein Plakat mit der Aufschrift "1914 wie 2025: NEIN zu Kriegskrediten!".

Sahra Wagenknecht und Mitglieder ihrer Gruppe halten Plakate mit der Aufschrift "1914 wie 2025: NEIN zu Kriegskrediten!" in die Höhe.

Was der Bundestag nun entschieden hat

Der Bundestag hat in seiner alten Zusammensetzung über Grundgesetzänderungen abgestimmt, auf die sich CDU/CSU, SPD und Grüne Ende vergangener Woche  geeinigt hatten. So soll die Schuldenbremse - die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt - für Ausgaben in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit gelockert werden. Für alle Ausgaben in diesen Bereichen, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, dürfen Kredite aufgenommen werden - das wären in diesem Jahr alles über etwa 44 Milliarden Euro.

Außerdem wird ein Sondervermögen geschaffen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. Daraus soll die Instandsetzung der maroden Infrastruktur - also Brücken, Energienetze, Straßen oder Schulen - bezahlt werden. 100 Milliarden Euro gehen an die Länder, 100 Milliarden Euro sollen für Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft ausgegeben werden.

Am Freitag muss noch der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 18. März 2025 um 16:00 Uhr.