Europawahl 2024
Wahlerfolg der AfD Sorge um die "emotionale Einheit" von Ost und West
Angesichts der AfD-Erfolge bei der Europawahl im Osten Deutschlands beklagt Thüringens Ministerpräsident Ramelow eine wachsende Kluft zwischen Ost und West. Nordrhein-Westfalens Landeschef Wüst plädiert für eine Art Austauschprogramm.
Es war ein deutlicher Sprung nach oben für die AfD bei der Europawahl in Deutschland: 15,9 Prozent der Wählerstimmen holte sie laut vorläufigem Wahlergebnis - ein Plus von 4,9 Prozentpunkten machte die Partei zur zweitstärksten Kraft hinter der CDU. Und dieses Ergebnis verdankt die AfD vor allem den ostdeutschen Bundesländern: In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen konnte sie sich die meisten Stimmen sichern.
Im Westen hingegen lag nahezu überall die CDU vorn, mit Ausnahme von Hamburg und Bremen - sowie Bayern, wo mehrheitlich die Schwesterpartei CSU gewählt wurde. Angesichts des Wahlausgangs fürchten mehrere Parteien nun eine wachsende Spaltung zwischen Ost und West.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow warnte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland eindringlich, die "emotionale Einheit" Deutschlands "geht zunehmend krachen". Und er übte scharfe Kritik, wie teilweise auf die Wahlergebnisse in den ostdeutschen Bundesländern reagiert werde:
In sozialen Netzwerken lese ich nach der Europawahl jetzt Sätze wie: 'Wo bleibt die Dankbarkeit der Ostdeutschen?' Das sind Fragen, die wir jetzt gerade nicht brauchen.
Der Osten habe sich für die Wahlergebnisse nicht zu entschuldigen, betonte Ramelow. Und "dass man von Ostdeutschen Dankbarkeit erwartet", treibe die "Spirale der Spaltung" nur weiter voran.
Wüst schlägt Austauschprogramm vor
Doch wie kann man dieser Spirale entgegenwirken? Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst setzt dafür auf Dialog. Er wolle mehr Gespräche zwischen den Menschen aus ost- und westdeutschen Bundesländern arrangieren. Außerdem schlägt er eine Art Austausch vor, "wie wir ihn von europäischen Städtepartnerschaften kennen", so der CDU-Politiker.
Er habe den Eindruck, dass viele Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen noch nie in den ostdeutschen Ländern gewesen seien. "Mancher kennt sich auf Mallorca besser aus als in Sachsen oder Thüringen", sagte Wüst. Ein Austausch könne Vertrauen schaffen und Perspektiven öffnen für mehr Verständnis füreinander.
Sorge vor Landtagswahlen im Herbst
Die Zeit bis zu weiteren Wahlen ist bereits knapp: Nicht einmal drei Monate sind es bis zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Kurz danach stimmt Brandenburg über sein Landesparlament ab. Bei den Kommunalwahlen am Sonntag wurde die AfD in Brandenburg stärkste Kraft, auch in Sachsen liegt sie in den meisten Kreisen vorn. In Thüringen konnte sie immerhin in neun Landkreisen in die Stichwahl einziehen, unterlag aber in sämtlichen zweiten Wahlgängen.
Viele fürchten nun einen ähnlichen oder gar noch größeren Siegeszug der AfD bei den Abstimmungen im Herbst. Ministerpräsident Ramelow wertet die Ausgangslage aber etwas anders als bei der Europawahl. "Die Ausgangslage ist schwierig", räumte er ein. "Aber Landtagswahlen sind Personalwahlen. Und alle Personalwahlen sind für die AfD nicht gut ausgegangen."