Immunologe zu Bhakdi-Behauptungen "Unwissenschaftlicher Unsinn"
Der Immunologe Carsten Watzl hat Ausführungen über schwere Impfschäden als unwissenschaftlichen Unsinn bezeichnet. Die Behauptungen des Mikrobiologen Bhakdi basierten auf falschen Prämissen.
Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder
In sozialen Medien kursiert weiterhin ein Video des Mikrobiologen Sucharit Bhakdi, in dem er behauptet, die Impfungen gegen Corona seien wirkungslos. Geteilt hatte das Video unter anderem Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, wofür er hart kritisiert wurde. Auf Twitter verteidigte Maaßen das Video nun und behauptet, Bhakdi trage ernstzunehmende Argumente für ein Impfverbot vor.
Das sieht der Immunologe Carsten Watzl, Professor an der Universität Dortmund und seit 2013 Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, anders. Er widerspricht den Behauptungen Bhakdis deutlich und bezeichnet diese als unwissenschaftlichen Unsinn. Bhakdi war früher als Professor an der Uni Mainz tätig, ist nach Angaben der Uni aber im Ruhestand. Die Uni distanzierte sich von Aussagen Bhakdis und wertete diese als "irreführend bis falsch".
Falsche Darstellung
Im Gespräch mit tagesschau.de begründet Watzl seine Einschätzung. So spreche Bhakdi bei der Behauptung, dass die Impfungen gar nicht gegen Corona schützen könnten, von der Marine und der Luftwaffe. Gemeint seien damit Antikörper, die im Blut schwimmen - die Marine - sowie diejenigen, die in den Schleimhäuten sitzen und Viren aus der Luft abwehren sollen - die Luftwaffe, erläutert Watzl.
Der Immunologe Watzl erläutert, warum die Ausführungen nicht haltbar sind.
Allerdings stelle Bhakdi diese "fälschlicherweise als zwei komplett unabhängige Systeme dar", so Watzl. "Nur die Antikörper auf den Schleimhäuten wären gegen Corona wirksam, diese würden jedoch nicht durch eine Impfung in den Oberarm induziert. Daraus schlussfolgert Bhakdi, die Impfstoffe seien wirkungslos - doch das ist falsch", sagt der Immunologe. Vielmehr "schützen die Impfstoffe vor einer Infektion und vor einem schweren Verlauf. Das haben die Zulassungsverfahren und die Auswertungen von Daten nach Impfungen aus vielen Staaten gezeigt."
Der Schutz vor einer Infektion werde jedoch mit der Zeit geringer, sagt Watzl, und könne bei Varianten mit vielen Mutationen, wie beispielsweise Omikron, deutlich reduziert sein. Der Schutz der Impfungen gegen einen schweren Verlauf sei aber auch bei Omikron gegeben. "Dass die Impfungen nicht wirkten, ist also schlicht falsch", betont Watzl.
"So viel kann man gar nicht impfen"
Außerdem behauptete Bhakdi in dem Video, es sei gefährlich, wenn das Spike-Protein durch die Impfstoffe in den Lymphknoten gelange, da sich dadurch Lymphozyten - Immunzellen - gegenseitig umbringen würden. "Das ist Unsinn", sagt Watzl, "denn wenn beispielsweise das Coronavirus die Lunge infiziert, kommt das Spike-Protein und andere Teile des Virus auch in die Lymphknoten, denn nur dort kann eine Immunreaktion stimuliert werden".
Bakhdi behauptet weiterhin, der Impfstoff gelange in den ganzen Körper sowie in die Organe und richte dort fatale Schäden an. Auch das sei immunologisch nicht haltbar, sagt Watzl: "Zwar könne es sein - wenn man extrem sensitiv misst - dass man Spuren und Bruchstücke des Spike-Proteins wenige Tage nach der Impfung im Blut findet. Aber das sind dann so geringe Mengen, dass dies keine biologischen Auswirkungen haben kann. So viel Impfstoff könnte man gar nicht spritzen, sodass dieser überall hinkommt. Dieses Bild hat nichts mit der Realität zu tun", stellt der Immunologe klar.
Kein Kontext, teilweise wirr
In dem Video werden einige Bilder von Organen und Gefäßen präsentiert, die offenbar zeigen sollen, der Impfstoff gelange überallhin und richte Schäden an. Allerdings sei vollkommen unklar, woher die Bilder genau stammen, sagt Watzl. "Woran ist die jeweilige Person gestorben? Welche Vorerkrankungen hatte sie?", fragt der Experte. Watzl betont, ein Zusammenhang zwischen den gezeigten Infiltrationen und Impfungen sei "reine Spekulation, diese können viele anderen Ursachen haben, die weit wahrscheinlicher sind".
Watzl kritisiert, dass dennoch suggeriert werde, hier seien Schäden durch Impfungen verursacht worden. "Der Kontext ist aber vollkommen unklar. Das ist kein wissenschaftlicher Beweis", sagt der Immunologe. Zudem seien die Ausführungen dazu immunologisch gesehen "kaum nachzuvollziehen und teilweise wirr".
"Falsche Prämissen"
In dem Video spricht Bhakdi noch von zahlreichen Menschen, die wohl schwer erkrankten durch die Impfungen, aber das ließe sich nicht nachweisen. "Damit baut er eine Erzählung auf, die sich weder beweisen noch widerlegen lässt", kritisiert Watzl. Bhakdi berufe sich auf immunologische Grundprinzipien, die in ihrer Absolutheit falsch seien - "und auf diesen falschen Prämissen baut er dann seine ganzen Thesen auf".
Watzl meint, das wirke auf viele Menschen wohl überzeugend, weil es anschaulich vorgetragen und in sich teilweise schlüssig sei. Aber die Ausführungen basierten auf falschen Annahmen und seien "damit unwissenschaftlicher Unsinn".