Zeitungen in der Auslage eines chinesischen Kiosks
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Angeblicher Experte in China Der mysteriöse Wilson Edwards

Stand: 11.08.2021 15:50 Uhr

Ein Schweizer Forscher macht in chinesischen Medien Stimmung gegen die USA - und findet in dem Land viel Gehör. Doch den Mann gibt es gar nicht. Als die Schweizer Botschaft interveniert, verschwinden seine Aussagen.

Von Ruth Kirchner, ARD-Hauptstadtstudio

Wilson Edwards, der angebliche Biologe aus Bern, kam überall zu Wort: bei der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, bei den englischsprachigen Zeitungen "China Daily" und "Global Times", bei der "Renmin Ribao", der Volkszeitung, dem Sprachrohr der Kommunistischen Partei. Alle beriefen sich auf Facebook-Einträge des vermeintlichen Schweizer Experten.

Als Biologe sei er bestürzt, wie die Suche nach dem Ursprung des Coronavirus in den letzten Monaten politisiert worden sei, schrieb er. Forscherkollegen beklagten sich darüber, dass sie "enormem Druck und sogar Einschüchterungen vonseiten der USA und bestimmter Medien" ausgesetzt seien. 

Edwards schien zu bestätigten, was das chinesische Außenministerium seit Wochen wiederholt: Die These, dass das Corona-Virus aus einem Labor in der zentralchinesischen Stadt Wuhan entwichen sein könnte, sei eine Verunglimpfung seitens der USA. Dass ein ausländischer Experte die chinesische Regierungslinie vertrat  - besser konnte es aus der Sicht Pekings gar nicht laufen.

Der Experte, den es nie gab

Nur: Offenbar gibt es Wilson Edwards gar nicht. Am Dienstag postet die Schweizer Botschaft in Peking, sonst nicht gerade für Humor bekannt, in den sozialen Netzwerken eine Suchmeldung: "Wilson Edwards, falls Sie existieren, würden wir Sie gerne kennenlernen!"

Recherchen der Eidgenossen hatten ergeben: Weder gibt es einen Schweizer, der unter dem Namen Wilson Edwards registriert ist, noch sind Forschungsarbeiten unter dem Namen veröffentlicht worden. Die Schweizer Botschaft forderte die chinesischen Medien auf, die Berichte zu entfernen.

Wilson verschwindet aus dem Netz

Seitdem wird bei Xinhua, "China Daily" und "Global Times" fleißig gelöscht. Auch das Facebook-Profil von Wilson Edwards ist verschwunden: offenbar ein Fake-Profil. Erst vor einer Woche hatte eine britische Studie ein Netzwerk von hunderten Fake-Profilen in sozialen Netzwerken aufgedeckt, die chinesische Regierungspropaganda verbreiten.

In den streng kontrollierten chinesischsprachigen Medien, die den westlichen Medien regelmäßig  die Verbreitung von Fake News vorwerfen, geht das Löschen offenbar langsamer. Bei der Volkszeitung und anderen Internetseiten waren die Zitate des vermeintlichen Experten heute weiterhin auffindbar.

Der Fall zeigt, wie hoch politisiert die Suche nach dem Ursprung des Corona-Virus gerade auf chinesischer Seite ist. Für die USA und die Weltgesundheitsorganisation ist die Laborthese nicht vom Tisch. Solange diese These aber weiter im Spiel ist, blockt China weitere Untersuchungen ab - und sucht Unterstützung notfalls auch bei Phantom-Forschern.

 

Ruth Kirchner, Ruth Kirchner, ARD Peking, zzt. Berlin, 11.08.2021 14:34 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 11. August 2021 um 18:00 Uhr.