Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin
Kontext

Propaganda-Vorwürfe Wie Russland Kultureinrichtungen missbraucht

Stand: 17.01.2025 15:18 Uhr

Um die eigene Kultur im Ausland zu vermitteln, finanzieren viele Staaten Programme wie Schüleraustausch oder Sprachkurse. In russischen Kultureinrichtungen werden Analysen zufolge jedoch auch politische Ansichten verbreitet.

Von Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder

"Das Russische Haus ist die Kulturbotschaft Russlands im Herzen Berlins", heißt es auf der Website der russischen Botschaft. Eine eigene Bibliothek, Russischkurse und auch ein Kino gehören zum Repertoire des Russischen Hauses. Doch ganz so harmlos, wie es von der russischen Botschaft propagiert wird, scheinen die Angebote nicht zu sein.

So sorgte zum Beispiel eine Filmveranstaltung im hauseigenen Kino für Aufregung: Gezeigt wurde ein Holocaust-Film, in dem Ukrainer als Nazis dargestellt werden - auch mit Blick auf die heutige Zeit. Und das ausgerechnet wenige Monate nach dem russischen Großangriff auf die Ukraine, den der Kreml mit genau diesem Narrativ begründet.

Zudem gab es Medienberichten zufolge Verbindungen zu den Organisatoren von prorussischen Kundgebungen in Berlin. So soll ein Video von den Veranstaltern eines prorussischen Autokorsos im Russischen Haus aufgenommen worden sein. Auch wurde einem russischen Regisseur eine mehrteilige Reihe gewidmet, der öffentlich Gegnern des russischen Präsidenten Wladimir Putins mit dem Konzentrationslager drohte.

Beim russischen Außenministerium angesiedelt

Dass eine vermeintlich unpolitische Kultureinrichtung prorussische Ansichten verbreitet oder sie zumindest indirekt unterstützt, ist Untersuchungen zufolge kein Zufall. Denn das Russische Haus gehört zur russischen Regierungsagentur Rossotrudnitschestwo, die an das russische Außenministerium angesiedelt ist.

Rossotrudnitschestwo ist nach Angaben der EU die wichtigste staatliche Agentur für "die Propagierung der Soft Power und des hybriden Einflusses des Kremls". Weiter heißt es: "Sie fungiert seit vielen Jahren als Dachorganisation für ein Netzwerk russischer Landsleute und Einflussnehmer und finanziert verschiedene Projekte im Bereich öffentliche Diplomatie und Propaganda, indem sie die Aktivitäten prorussischer Akteure konsolidiert und die Narrative des Kremls, einschließlich des historischen Revisionismus, verbreitet."

Rossotrudnitschestwo organisiere aktiv internationale Veranstaltungen mit dem Ziel, eine breitere öffentliche Wahrnehmung der besetzten ukrainischen Gebiete als russische Gebiete zu festigen, heißt es von der EU. So hat sich die Agentur nach Informationen des Ukrainischen Instituts aktiv für die Integration der von Russland völkerrechtswidrig annektierten Gebiete in der Ukraine eingesetzt, unter anderem durch vermeintliche humanitäre Hilfe für die Bewohner in diesen Gebieten.

In Telegram-Beiträgen von Rossotrudnitschestwo werde ein Narrativ konstruiert, in dem der Eindruck erweckt wird, die Bewohner in den besetzten Gebieten litten unter der militärischen Aggression der ukrainischen Streitkräfte. Neben dieser vermeintlichen humanitären Hilfe unterstützt Rossotrudnitschestwo dem Ukrainischen Institut zufolge zum Beispiel auch prorussische Kundgebungen in anderen Ländern. Lokale Organisationen von Landsleuten in anderen Ländern und der Koordinierungsrat der im Ausland lebenden russischen Landsleute organisierten häufig solche Veranstaltungen.

"Mächtige Organisation"

Nach Angaben des Netzwerks für Extremismusforschung in Nordrhein-Westfalen gründete und nutzt der russische Staat "Tarnorganisationen und Transmissionsagenturen im Ausland, die öffentliche Veranstaltungen organisieren, soziale Medien bedienen und innergesellschaftliche Frustrationen, Ängste und emotionale Polarisierungen sowie antiliberale und antimodernistische Stimmungen ausnutzen". Für die Verbreitung der Ideologie der "Russischen Welt" seien neben Rossotrudnitschestwo noch weitere Organisationen zuständig, unter anderem die Russkij Mir Stiftung oder auch die Russisch-Orthodoxe Kirche.

"Einrichtungen wie das Russische Haus sind wichtige Akteure in der russischen Kulturdiplomatie und große Antreiber der russischen Narrative", sagt Kateryna Rietz-Rakul, Leiterin des Ukrainischen Instituts in Deutschland. Eine Analyse ihres Instituts zeige, dass im Russischen Haus nicht nur die russische Kultur und Sprache gefördert werde, sondern auch die russische Außenpolitik. Seitens der russischen Regierung werde ein ideologischer Hintergrund geschaffen, der den neokolonialen Krieg in der Ukraine rechtfertige. 

Die Dehumanisierung der Ukrainer sowie die Negierung aller Ausdrucksformen der ukrainischen Unabhängigkeit und des Rechts auf Souveränität, Geschichte und Kultur, sofern sie nicht mit der russischen Sichtweise der Ukraine übereinstimmen, seien signifikante Elemente der russischen Narrative. Der Einfluss des Russischen Hauses sei dabei nicht zu unterschätzen, sagt Rietz-Rakul. Denn neben Bücherladen, Kino und Theater gebe es sogenannte Mieterorganisationen, die auch russische Kindergärten und Schulen betrieben. "Das ist eine wahnsinnig mächtige Organisation, die schon im Kindergartenalter Einfluss nimmt."

Rossotrudnitschestwo steht auf EU-Sanktionsliste

Sowohl der Leiter als auch der stellvertretende Leiter von Rossotrudnitschestwo haben nach Angaben der EU ihre Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine deutlich bekundet. Rossotrudnitschestwo steht seit dem 21. Juli 2022 auf der Sanktionsliste der EU.

Nach Ansicht der EU trägt Rossotrudnitschestwo "die Verantwortung für die Unterstützung oder Umsetzung von Handlungen oder politischen Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine oder die Stabilität oder die Sicherheit in der Ukraine untergraben oder bedrohen". Außerdem unterstütze die Agentur die Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sei, materiell und finanziell und profitiere von ihr.

Nach Angaben des Rechtsmagazins Legal Tribune Online müssten die Sanktionen auch gegen Einrichtungen wie das Russische Haus in Berlin gelten, da sie von Rossotrudnitschestwo betrieben werden. Durch das Einfrieren der wirtschaftlichen Ressourcen von Rossotrudnitschestwo müssten demnach auch Einkommensquellen wie Ticketverkäufe für Veranstaltungen unzulässig sein. Doch auch wenn die Vermögenswerte des Russischen Hauses nach Angaben der Bundesregierung eingefroren sind, ist es weiterhin geöffnet und bietet beispielsweise nach wie vor Kurse an.

Wie mehrere Medien berichteten, prüft die Berliner Staatsanwaltschaft, ob der Betrieb des Russischen Hauses gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstößt. Es werde gegen Unbekannt sowie gegen die Mieter des Russischen Hauses ermittelt.

"Russland instrumentalisiert weiterhin die Kultur"

Auch wenn durch den russischen Angriffskrieg diese Organisationen es zurzeit zumindest offiziell durch Sanktionen und Reputationsverlust schwerer haben, in EU-Mitgliedsstaaten zu wirken, glaubt Rietz-Rakul vom Ukrainischen Institut nicht daran, dass es wirklich langfristige Konsequenzen hat. "Ich habe den Eindruck, dass viele Verbindungen nur zum Teil unterbrochen beziehungsweise temporär auf Eis gelegt worden sind."

Bei näherer Betrachtung würden sich viele kleinere Organisationen finden, die mit staatlichen Akteuren zusammenarbeiteten und von der offiziellen Kulturdiplomatie Russlands in Deutschland beeinflusst würden. Dieser Einfluss manifestiere sich in gemeinsamen Veranstaltungen, finanzieller Unterstützung oder der Propagierung identischer Narrative im Einklang mit dem Kreml. "Russland instrumentalisiert weiterhin aktiv die Kultur, um ihre außenpolitischen Ziele zu erreichen und den neokolonialen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen", sagt Rietz-Rakul.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. September 2024 um 19:00 Uhr.