Falsche Kritik an mRNA-Vakzinen Impfstoffe greifen Blutgefäße nicht an
Unbelegte Berichte im Netz: Angeblich bringen mRNA-Impfstoffe Zellen in Blutgefäßen dazu, Spike-Proteine zu produzieren, die Herzinfarkte auslösen können. Beweise dafür gibt es aber gar nicht.
Die Argumentation klingt zunächst einmal in sich stringent: mRNA-Impfstoffe bringen Zellen dazu, Spike-Proteine herzustellen. Gelangen die Vakzine in Blutbahnen, so veranlassen sie auch die Zellen in den Wänden dazu, diese Spikes zu produzieren. Die angebliche Folge: Die Wände der Blutgefäße werden von Lymphozyten und Antikörpern angegriffen, es kommt zu Thrombosen, Myokardien (Verstopfungen beziehungsweise Herzmuskelerkrankungen) und sogar Herzinfarkten.
Stephan Baldus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und Direktor des Herzzentrums der Universitätsklinik Köln, zweifelt dies an: "Überzeugende Daten, die einen Zusammenhang zwischen mRNA-Impfung und vaskulärer Inflammation oder Thrombogenität [Entzündungen und Verstopfungen der Blutgefäße, die Redaktion] mit entsprechender klinischer Konsequenz zeigen, gibt es meines Wissens und nach erneuter Recherche in der Literatur nicht", erklärt er gegenüber dem ARD-faktenfinder.
Kritik an umstrittener Studie
Eine Studie, die über einen angeblichen Anstieg inflammatorischer Markern nach mRNA-Impfungen, ist wegen der möglichen mangelnden Verlässlichkeit der Daten und ungenügender Dokumentation in die Kritik geraten. "Selbst, wenn die Ergebnisse stimmen würden, wäre die klinische Relevanz völlig unklar", sagt Baldus. Ansonsten gebe es lediglich vereinzelt anekdotische Hinweise auf mögliche Entzündungen und gesteigerte Blutgerinnung. "In keinem der Berichte findet sich aber ein Beweis für eine direkte Kausalität."
Laut dem Kardiologen Baldus ist ein Zusammenhang von mRNA-Impfstoffen und Gefäßveränderungen nicht bewiesen.
Bei der Impfung mit mRNA-Vakzinen sei zwar nicht vollkommen auszuschließen, dass der Impfstoff auch andere Zellen wie zum Beispiel Endothelzellen, also jene im Inneren der Blutbahnen, erreicht. "Untersuchungen der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA konnten aber keine Aufnahme des Impfstoffs durch Endothelzellen nachweisen", erklärt Kardiologe Baldus.
Todesrisiko durch Covid-19 um ein Vielfaches höher
Das statistische Risiko eines impfassoziierten Todesfalles sei zudem extrem gering, so Baldus: "In den USA hat das Center for Disease Control and Prevention für impfassoziierte Todesfälle einen Prozentsatz von 0,002 angegeben - gegenüber einer durch Covid-19 verantworteten Mortalität von 1,63 Prozent".
Der Beweis einer durch die Impfung bedingten Sterblichkeit sei durch diese Erhebungen ohnehin nicht zu führen und werde möglicherweise damit sogar noch überschätzt. "Das CDC spricht auch nur von impfassoziierter Sterblichkeit. Auf jeden Fall wird deutlich, dass allein die Sterblichkeit ganz wesentlich zugunsten der Impfung verschoben ist - von der Covid-19-assoziierten akuten und Langzeit-Morbidität (Long Covid) einmal ganz abgesehen."
Fälle werden genau beobachtet
Dies bestätigen auch die Daten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), das als Bundesbehörde die Nebenwirkungen der Impfungen beobachtet. Im aktuellen Sicherheitsbericht werden die Fälle von Myokarditis und Perikarditis (Herzbeutelentzündung) genau aufgeschlüsselt:
Altersgruppe | Corminaty | Spikevax | ||
---|---|---|---|---|
Männer | Frauen | Männer | Frauen | |
12-17 | 4,81 | 0,49 | 11,41 | - |
18-29 | 4,68 | 0,97 | 11,71 | 2,95 |
30-39 | 1,88 | 1,11 | 4,67 | 1,12 |
40-49 | 1,12 | 0,93 | 2,13 | 0,80 |
50-59 | 0,71 | 0,77 | 0,99 | 0,91 |
60-69 | 0,38 | 0,29 | 0,31 | - |
70-79 | 0,47 | 0,25 | 0,50 | 0,45 |
89+ | 0,18 | 0,13 | 0,47 | - |
Gesamt | 1,57 | 0,65 | 3,78 | 1,09 |
Gemeinsam mit dem Register für Kinder und Jugendliche mit Verdacht auf Myokarditis (MYKKE-Register) erfasst das PEI die Verdachtsfälle von Herzmuskelentzündungen bei Kindern und Jugendlichen nach einer Covid-19-Impfung. Alle bekannten Fälle werden gemäß den Standards für Diagnostik und Behandlung betreut und mindestens zwölf Monate lang nachuntersucht.
Laut dem PEI lieferten mehreren Studien zu dem potenziellen Thromboserisiko der Covid-19-Impfstoffe bisher kein konsistentes Ergebnis. Sofern dabei auch SARS-CoV-2-Infektionen und das Risiko für Thrombosen untersucht worden waren, war das Risiko jedoch nach der Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus stets höher als nach der Impfung.
Für die Behauptung, die mRNA-Impfstoffe brächten Zellen in Blutgefäßen dazu, Spike-Proteine zu produzieren und könnten so Herzinfarkte auslösen, gibt es also keine Belege. Alle vorliegenden Daten zeigen, dass die Schutzwirkung von Impfungen das Risiko auf Nebenwirkungen um ein vielfaches übersteigt. Daher empfehlen Fachleute und Impfkommissionen auch die Impfungen dringend, um sich gegen Infektionen und vor allem schweren Verläufen von Covid-19 zu schützen.