Russische Außenpolitik Putins Freund in der Ukraine
Keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder fordert Russland, und hält sich in der Ukraine selbst nicht daran. Statt mit dem gewählten Präsidenten spricht Putin mit einem Politiker ohne Mandat.
"Die vollständige Wiederherstellung der russisch-ukrainischen Beziehungen ist extrem wichtig für uns" - das sagte Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag bei einem Treffen in St. Petersburg. Es handelte sich jedoch nicht um eine Begegnung mit dem im April neu gewählten Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, der für Außenpolitik zuständig ist. Mit ihm ließ sich Putin bisher nur auf ein Telefongespräch ein.
Das Gespräch in St. Petersburg führte Putin mit dem Oligarchen Wiktor Medwedtschuk. Der 64-Jährige Jurist wurde in den 1990er-Jahren zum einflussreichen Unternehmer in der Ukraine. 2002 wurde er Leiter der ukrainischen Präsidialadministration und galt als "Graue Eminenz", die im Hintergrund die Strippen zog. Im Konflikt in der Ostukraine vermittelte er ab 2014 zwischen der Regierung in Kiew und den pro-russischen Separatisten. Im Juni handelte er ohne Mandat Selenskyjs die Freilassung von vier Gefangenen aus.
Kurz vor der Präsidentschaftswahl im März besuchte Medwedtschuk mit seinem Verbündeten Jurij Bojko in Moskau den russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedjew und Gazprom-Chef Alexej Miller. Sie sprachen unter anderem über Preisnachlässe beim Gas für die Ukraine - auch dies ohne Mandat der Regierung in Kiew.
Wiktor Medwedtschuk wurde bekannt als "Graue Eminenz", Oligarch und Freund Putins.
Familiär mit Putin
Medwedtschuk ist der bedeutendste pro-russische Politiker in der Ukraine. Er lehnt eine Annäherung seines Landes an die EU ab und ist für eine engere Bindung an Russland. Er wirbt mit dem Versprechen auf Frieden in der Ostukraine. Sein wichtigstes Argument: die Freundschaft mit Putin.
Der russische Präsident ist Patenonkel seiner Tochter Darina. Diese familiäre Verbundenheit mit Putin bestätigte Medwedtschuk in einer Dokumentation des russischen Fernsehens über ihn, das auch sonst sehr viel über ihn berichtet.
Medwedtschuk und Putin - zwei Politiker mit familiären Verbindungen.
Nicht nur die Berichterstattung russischer Medien ist im Wahlkampf vorteilhaft für Medwedtschuk. Auch ein zuletzt schnell gewachsenes Medienimperium, das sein Vertrauter und Parteifreund Taras Kozak führt, unterstützt ihn mit pro-russischer Berichterstattung.
Dazu zählt inzwischen auch der Sender ZIK, der in der liberal orientierten Stadt Lwiw im Westen der Ukraine beheimatet war. Nach der Übernahme verließen in Scharen Redakteure den Sender. Sie sprachen von einem Angriff auf die Ukraine.
Kürzlich wollte ein weiterer Sender aus dem Konzern, "NewsOne", mit dem russischen Sender "Rossija 1" eine Fernsehverbindung mit Bürgern aus beiden Ländern unter dem Motto "Wir müssen reden" organisieren. Die Sendung wurde aber abgesagt wegen Protesten, unter anderem weil sie der russische Journalist Dmitrij Kisseljow angekündigt hatte, der für seine Propaganda berüchtigt ist.
Auftritt im Europaparlament
Bei der Parlamentswahl könnte Medwedtschuks "Oppositionsplattform für das Leben" mit mehr als zwölf Prozent den zweiten Platz hinter Selenskyjs Partei "Diener des Volkes" erreichen und dann aus dem Parlament heraus eine Außenpolitik neben Regierung und Präsident betreiben - so wie am 17 Juli.
Da stellte Medwedtschuk nach Angaben der russischen Agentur TASS im Europaparlament einen Plan für die "Regulierung der Situation im Donbass" vor, mit einer weitgehenden Autonomie der von pro-russischen Separatisten besetzten Gebiete Donezk und Luhansk - inklusive eigener Verfassung und eigenem Parlament.
Wahlplakat von Medwedtschuks Bündnis. Mit seinem Medienimperium kann er Einfluss auf die Stimmung im Land nehmen.
Unterstützung erhielt Medwedtschuk vom französischen Europa-Abgeordneten Nicolas Bay. Er gehört zur rechtsradikalen Partei "Nationale Sammlungsbewegung" von Marine Le Pen. Bay sprach vom "ersten realistischen Friedensplan nach dem Minsker Abkommen" und sagte, die EU sei für die "Entfesselung des Bürgerkriegs im Land" verantwortlich.
Auch Nathan Gill von der Brexit-Partei aus Großbritannien sowie Abgeordnete aus Italien und Deutschland waren TASS zufolge anwesend. Gill forderte den ukrainischen Präsidenten auf, Medwedtschuks Plan umzusetzen.
Über die Parlamentsfraktion "Identität und Demokratie" hinaus, der auch die AfD angehört, erhielt Medwedtschuk offenbar kaum Aufmerksamkeit in Straßburg. Auch ist Medwedtschuks internationaler Spielraum begrenzt, da er nach der russischen Annexion der Krim auf die Sanktionsliste der USA und Kanadas gesetzt wurde.
Selenskyj muss weiter auf einen Termin bei Putin warten.
Auch wenn sich die Menschen nach Frieden sehnen, ist eine große Zahl nicht bereit, sich den Bedingungen Putins zu unterwerfen. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Medwedtschuks Bündnis nicht auf die Zustimmungsraten früherer pro-russischer Kräfte kommt. Seine Aktivitäten sorgen für Protest, und dies nicht nur von Nationalisten, die in Kiew mehrfach demonstrierten. Sie heizen die innenpolitische Lage insgesamt an, während Selenskyj weiter auf einen Termin bei Putin warten muss.