Aussagen zum Ukraine-Krieg Was Wagenknecht unterschlägt
Kaum jemand vertritt kritische Positionen zu deutschen Ukraine-Politik so prominent wie Sahra Wagenknecht. Aber
bei genauer Betrachtung stehen zumindest einige Aussagen auf problematischem Fundament.
Eine Behauptung wiederholt Sahra Wagenknecht schon lange regelmäßig: Im März 2022 sei man kurz davor gewesen, im Ukraine-Krieg einen Waffenstillstand zu erreichen - doch die USA und Großbritannien hätten das verhindert. "Die übereinstimmenden Berichte waren, dass damals die Kompromissbereitschaft beider Seiten, also der Ukraine und aber auch der russischen, relativ hoch war und dass das von London und Washington blockiert wurde", sagte sie.
In der Tat verhandelte der damalige israelische Premier Naftali Bennett Anfang März 2022 getrennt mit dem russischen und dem ukrainischen Präsidenten. In einem fast fünfstündigen Interview gab er an, damals einem Waffenstillstand eine 50-prozentige Chance gegeben zu haben.
Auf die Nachfrage, ob der Westen den möglichen Waffenstillstand blockiert habe, sagte Bennett: "Grundsätzlich ja. Sie haben es blockiert, und ich dachte, dass sie damit falsch lagen. Aber im Rückblick ist es zu früh, um es wirklich zu bewerten."
Bennett zog Aussage zurück
Aber: Nach dieser einmaligen Interviewaussage relativierte Bennett seine "50-Prozent-Erfolgschance" für einen Waffenstillstand bei Twitter. Außerdem erklärte er, dass die USA, die über diese Gespräche informiert waren, die Chancen für einen Waffenstillstand deutlich skeptischer gesehen hätten.
Kiew und London dementieren zudem, dass der damalige britische Premier Boris Johnson den Abbruch der Verhandlungen forderte. Das unterschlägt Wagenknecht regelmäßig.
Problematisch ist auch, dass es außer Bennett keine zweite Quelle für den Verlauf dieser Gespräche gibt.
Was stand wirklich in "Foreign Affairs"?
In Talkshows wie "Markus Lanz" oder "Maischberger" untermauert Wagenknecht ihre Position außerdem regelmäßig mit einem Artikel aus der außenpolitischen Fachzeitschrift "Foreign Affairs". Wörtlich heißt es dort: "Nach Angaben ranghoher ehemaliger amerikanischer Regierungsvertreter, mit denen wir gesprochen haben, scheinen sich russische und ukrainische Unterhändler im April 2022 vorläufig auf Umrisse eines ausgehandelten Übergangsabkommens verständigt zu haben."
Für Wagenknecht ist das ein Argument, das die russische Kompromissbereitschaft zeigen soll. Die beiden hochrangigen Autorinnen betonten gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aber, dass sie lediglich Belege für eine vorläufige Einigung auf Bedingungen für ein Abkommen hätten.
Seit 20 Jahren erfolglose Gespräche über NATO-Beitritt
Ein weiteres Wagenknecht-Argument: Sie begründet den russischen Angriffskrieg regelmäßig mit einer möglichen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. "Es ging immer zentral auch um die Frage der NATO-Mitgliedschaft, möglicher Militärbasen, Raketenstützpunkte", sagte sie.
Wagenknecht hat Recht: Eine mögliche NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wäre für Russland ein Problem. Allerdings wird darüber schon seit 20 Jahren erfolglos gesprochen, und auch der Antrag zur beschleunigten NATO-Mitgliedschaft aus dem vergangenen Jahr dürfte keinen Erfolg haben.
Was Wagenknecht aber hier unterschlägt - und wovor Russland wirklich Angst haben dürfte: "Die Gefahr für Putin ist eine Ukraine, eine slawische Nation, die eine europäische Demokratie werden will", sagte Constanze Stelzenmüller vom Brookings Institut bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
Fazit: Wagenknecht greift gern auf international renommierte Quellen zurück, um ihre Argumentation zu stützen. Das wirkt durch die ständige Wiederholung kompetent und glaubhaft. Sie unterschlägt dabei aber wiederholt entscheidende Fakten und Details.