Afghanen abgeschoben Rückkehr in eine unsichere Zukunft
Die Stimmung war gedrückt bei den afghanischen Asylbewerbern, die am Morgen wieder in ihrer Heimat gelandet sind. Viele wissen nicht, wie es weitergeht. Sie wollen nicht in unsichere Provinzen zurückkehren. Einige überlegen, erneut zu fliehen.
Um kurz nach fünf Uhr morgens ist die erste Maschine mit abgelehnten afghanischen Asylbewerbern aus Deutschland in Kabul gelandet. Sie wurden von Polizisten empfangen. Die Stimmung der 34 Flüchtlinge war gedrückt, die meisten wissen nicht, wie es für sie weitergeht.
Der 22-jährige Babur Sedik hat nach eigenen Angaben vier Jahre in Deutschland verbracht. Er sei aber nie über Flüchtlingsheime oder Lager hinausgekommen, zitiert ihn die Nachrichtenagentur dpa. Seine Heimatprovinz Kabul gilt als vergleichsweise sicher. Trotzdem hat er Sorgen: "Wenn die Sicherheitslage sich nicht verbessert und ich keine Arbeit finde, habe ich keine andere Wahl - dann muss ich wieder versuchen, zu fliehen. Oder ich muss nach Pakistan oder in ein anderes Land gehen."
Der ebenfalls 22 Jahre alte Rahmat Khan stammt aus der umkämpften ostafghanischen Provinz Paktia. Dorthin könne er nicht wieder zurück, ist Khan überzeugt. Überall seien dort die Taliban. Er habe fünf Jahre in Deutschland verbracht, zuletzt als Kellner gearbeitet, habe die Sprache gelernt. "In Deutschland wollte ich an einer besseren Zukunft für meine Familie arbeiten", sagte er.
Abschiebung aus mehreren Bundesländern
Bundesinnenminister Thomas de Maizière verteidigte die umstrittenen Abschiebungen: "Solche Rückführungsaktionen sind richtig und notwendig, um unser Asylsystem funktionsfähig zu halten", sagte er und kündigte auch an, die Praxis werde "verantwortungsvoll und behutsam" fortgesetzt. Ein Drittel der Abgeschobenen seien Straftäter gewesen, verurteilt wegen Diebstahl, Raub, Drogendelikten, Vergewaltigung und Todschlag. Einige von ihnen seien direkt aus der Haft abgeschoben worden.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bestätigte, dass sich unter den Abgeschobenen acht Afghanen aus Bayern befanden. Der CSU-Politiker kündigte weitere Rückführungen auch nach Afghanistan an und widersprach Kritik an dieser Praxis. An dem ersten Sammelcharterflug beteiligten sich nach Herrmanns Angaben neben Bayern auch Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg und das Saarland.
Auch CSU-Chef Horst Seehofer begrüßte die Maßnahme. "Und ich hoffe, dass es keine einmalige Aktion ist", sagte er in der ARD-Sondersendung "Farbe bekennen".
Am Frankfurter Flughafen protestierten mehrere Hundert Demonstranten gegen die Abschiebung. Kritik kam auch von der Opposition und Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einem "unbarmherzigen Spiel" von Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Die Ärzteorganisation IPPNW hält die Maßnahme für unvereinbar mit der Achtung der Menschenrechte.
Ein Asylbewerber durfte bleiben
Ein 29-jähriger abgelehnter Asylbewerber durfte in Deutschland bleiben. Das Bundesverfassungsgericht hatte seine Abschiebung in letzter Minute vorläufig gestoppt. Dabei sei die Frage, ob angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan Abschiebungen derzeit verfassungsrechtlich vertretbar sind, ausdrücklich offen gelassen worden, teilte das Gericht mit. Die Entscheidung beruhe allein auf einer Folgenabwägung. Der Mann könne ohne weiteres zu einem späteren Termin abgeschoben werden, sein Asylverfahren könne er nach einer Abschiebung dagegen kaum noch fortführen. (Az. 2 BvR 2557/16)