AfD-Chef im Gespräch mit Radio Bremen "Wir freuen uns über den Zuspruch"
Bremen ist nicht in der Hand der AfD, doch zum Parteitag kommen viel mehr Mitglieder als angenommen. Während die Medien Chaos erwarten, bringen Parteichef Lucke die mehr als 460 Anträge nicht aus der Fassung. Er sagt: "Warten Sie doch erstmal ab."
Radio Bremen: Herr Lucke, zu dem Parteitag in Bremen haben sich sehr viele Mitglieder angemeldet. Mit diesem Ansturm haben Sie vermutlich gar nicht gerechnet. Allein 462 Anträge gibt es abzuhandeln. Ist die Basisdemokratie damit langsam am Ende angekommen?
Bernd Lucke: Nein. Keineswegs. Wir freuen uns über diesen sehr, sehr großen Zuspruch. Jedes einzelne Mitglied kann ja zu unserem Parteitag kommen. Das hat uns räumlich ein wenig an die Kapazitätsgrenzen stoßen lassen, aber wir haben mehr als zwei Tage Zeit und werden das Programm auch schaffen.
Radio Bremen: Offensichtlich wird erwartet, dass Sie über die Anträge schon so lange diskutieren müssen, dass wenig Zeit für Inhalte bleibt.
Lucke: Nein. Ich weiß nicht, warum manche Zeitungen ein Chaos herbeischreiben wollen. Warten Sie den Parteitag doch erstmal ab.
Ab November nur noch ein Parteichef?
Radio Bremen: Wie zuversichtlich sind Sie denn, in Zukunft nur noch mit einem Vorsitzenden zu arbeiten?
Lucke: Na ja, das ist ja Teil des Kompromisses, den wir im Vorstand erzielt haben. Es ist ja keineswegs so, dass wir uns immer streiten. Im Gegenteil: Wir haben eine Lösung gefunden, wie wir die Partei künftig führen wollen. Es wird ab April eine Doppelspitze geben und ab November, wenn unser Parteiprogramm verabschiedet worden ist, nur noch einen Vorsitzenden. Immer vorausgesetzt, dass der Parteitag dem folgt.
Radio Bremen: Es erweckt den Eindruck, dass es in der Partei sehr unterschiedliche Meinungen gibt. Auf der einen Seite der wirtschaftsliberale Flügel, zu dem Sie gehören. Auf der anderen Seite diejenigen, die jetzt mit "Pegida" "geflirtet" haben - beispielsweise Herr Gauland und seien Kollegen.
Lucke: Es gibt schon sehr unterschiedliche Auffassungen, aber das gehört zu einer Partei auch dazu. Man muss ja nicht so monolithisch sein wie die Altparteien, wo immer nur der Wille des Vorsitzenden gilt. Bei uns gibt es lebhafte Diskussionen über manche Themen, aber auch große Einigkeit bei vielen anderen Themen. Darüber wird nicht so oft berichtet.
Radio Bremen: Aber Sie können doch nicht einverstanden damit sein, wenn es rechte Tendenzen gibt in Ihrer Partei?
Lucke: Wir tolerieren weder Rechtsextremismus noch Rechtsradikalismus. Das habe ich wieder und wieder gesagt. Solche Leute gibt es auch nicht in der AfD - bis auf ganz wenige Ausnahmen, gegen die wir sofort mit Parteiausschlussmaßnahmen vorgehen.
Radio Bremen: Was sagt das über Herrn Gauland?
Lucke: Herr Gauland ist doch kein Rechtsextremist.
Radio Bremen: Herr Gauland hat beispielsweise gesagt: Kulturelle Traditionen, die es schwer hätten, sich hier zu integrieren, von denen möchte er keine Zuwanderung und diese kulturelle Tradition sei im Nahen Osten zuhause. Sprechen Sie mit ihm über seine Meinungen?
Lucke: Selbstverständlich spreche ich mit ihm über seine Meinung und deshalb weiß ich, dass er keineswegs pauschal die Zuwanderung aus Nahost stoppen will. Diese Haltung würde ich eindeutig nicht teilen. Die Alternative für Deutschland steht für ein Zuwanderungsrecht ein, das sich an Kriterien wie Bildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnissen orientiert, aber nicht an der Herkunft oder der Religion der Zuwanderer. Aber selbstverständlich ist es natürlich Herrn Gauland gestattet, seine eigene Meinung zu äußern und das ist keineswegs eine rechtsextreme Meinung.
Radio Bremen: Auch Ihr Vize-Vorsitzender Olaf Henkel hat indirekt vor einem zu rechten Kurs gewarnt. Wie kriegt man denn die Mannschaft wieder verteilt?
Lucke: Wir müssen die Mannschaft nicht verteilen, wir halten die Partei zusammen. In dem Pluralismus, den wir innerhalb der Partei haben, sind wir ja auch durchaus bereit, uns unterschiedliche Meinungen anzuhören und darüber dann zu beschließen, was künftig Parteilinie ist. Das ist ja der Prozess, der jetzt vor uns liegt, wenn wir ein Parteiprogramm erstellen. Da ist die Einbindung der Parteibasis gewährleistet. Warten Sie mal ab und lassen Sie uns im November noch einmal darüber sprechen, wie gut der Parteizusammenhalt ist.
Radio Bremen: Was wäre für Sie das beste Ergebnis dieses Parteitags?
Bernd Lucke: Eine einige, geschlossene Partei, die voller Überzeugung die Beschlüsse fasst, die jetzt anstehen in Bezug auf die Führungsstruktur. Gleichzeitig eine Partei, die sich auf diesem Parteitag auch intensiv mit Themen der Sozial- und Steuerpolitik auseinandersetzt. Denn das ist ein ganz wichtiger Bereich unserer Gesellschaft, der langfristig völlig unterfinanziert ist, weil wir nicht mehr genügend Kinder bekommen und weil es keine Zinsen mehr auf Erspartes gibt. Mit diesen Problemen, die von der Bundesregierung totgeschwiegen werden, wollen wir uns intensiv auf dem Parteitag auseinandersetzen.
Das Interview führte Anja Görz, Nordwestradio (Radio Bremen)