Reaktion auf Vorstoß Kritik an Arbeitspflicht für Asylsuchende
Ausbeuterisch, menschenverachtend, nicht zielführend - Forderungen nach einer Arbeitspflicht für Asylbewerber stoßen auf verschiedenen Seiten auf Ablehnung. Bundesarbeitsminister Heil könnte sie sich im Einzelfall vorstellen.
In der Debatte darüber, Asylbewerber in Deutschland zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, wird immer mehr Kritik laut. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte der Thüringer Allgemeinen, sie "halte davon nichts". Ähnliche Maßnahmen seien in der Vergangenheit erfolglos bei Langzeitarbeitslosen versucht worden. "Angesichts des Fachkräftemangels ist es heute viel besser, die Geflüchteten schneller und unkomplizierter in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen", erklärte Esken.
Auch die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, wies entsprechende Vorstöße zurück. "Die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten in Unterkünften ist schon seit Jahren rechtlich möglich, wird aber von den Kommunen eher zurückhaltend genutzt", sagte Nahles.
Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es im Paragraf 5: "Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet."
Heil: Arbeitspflicht im Einzelfall sinnvoll
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hält eine Arbeitspflicht für Asylbewerber im Einzelfall für sinnvoll. "Dass die Kommunen Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten können, ist geltendes Recht. Im Einzelfall mag es auch sinnvoll sein, Menschen während der mitunter langen Wartezeit in Sammelunterkünften zu beschäftigten", sagte der SPD-Politiker der Bild-Zeitung. Eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration werde so allerdings nicht gelingen.
Heils Ziel entspricht aber dem seiner Parteikollegin Esken. Es gehe darum, Menschen, die hier Schutz gefunden hätten, dauerhaft in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen. "Deshalb setze ich auf den Job-Turbo, mit dem wir die Betreuung durch die Jobcenter intensivieren, Fähigkeiten und Qualifikationen der Geflüchteten ermitteln und somit konkrete Arbeitsangebote unterbreiten."
Saale-Orla-Kreis will Arbeitspflicht einführen
Angestoßen wurde die Debatte schon vor Monaten von Landkreistagspräsident Reinhard Sager. Dieser hatte mehrfach gefordert, Asylsuchende zur Arbeit zu verpflichten. "Wer gesund ist und nicht gehandicapt ist, muss arbeiten." Die finanzielle Unterstützung vom Staat dürfe nicht bedingungslos sein, sagte Sager zuletzt der Bild-Zeitung.
Im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis sollen Asylbewerber zu vier Stunden Arbeit pro Tag verpflichtet werden. Grundlage sei die entsprechende Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz, erklärte ein Kreis-Sprecher. Die Geflüchteten sollen für 80 Cent Entlohnung pro Stunde einfache Arbeiten erledigen. Weigern sie sich, drohen Geldkürzungen von bis zu 180 Euro im Monat.
Arbeit für 80 Cent die Stunde sei ausbeuterisch
"Es ist rassistisch und menschenverachtend zu suggerieren, dass Geflüchtete arbeitsunwillig seien", erklärte die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Deren Sprecher Tareq Alaows wandte sich dagegen, Schutzsuchende "jetzt zur Arbeit unter ausbeuterischen Verhältnissen zu 80 Cent pro Stunde zu verpflichten", während vielen von ihnen eine reguläre Arbeitserlaubnis verwehrt werde. Die Vorschläge Sagers grenzten an "Zwangsarbeit".
Wer Geflüchtete als billige Arbeitskräfte für 80 Cent pro Stunde beschäftige, unterlaufe Tarifverträge und Mindestlöhne, kritisierte Linken-Parteichefin Janine Wissler. "So drängt man die Asylbewerber in die Rolle von Lohndrückern." Das fördere nicht die Integration, sondern die Lohnkonkurrenz zu Menschen im Niedriglohnbereich, warnte sie.
Unterstützung aus der CDU
Unterstützung für den Vorschlag Sagers kommt aus der CDU. Generalsekretär Carsten Linnemann begrüßte eine mögliche Arbeitspflicht. Linnemann sagte der Bild-Zeitung: "Alles, was das Prinzip des Förderns und Forderns wieder stärkt, ist zu begrüßen."
Thüringens CDU-Chef Mario Voigt erklärte: "Wir müssen die Botschaft aussenden: Wer in Deutschland die Solidarität der Gemeinschaft erfährt, muss dafür auch etwas zurückgeben", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zugleich werde damit ein Signal gegeben "für notwendige Begrenzung von Zuwanderung".
Zugang zum Arbeitsmarkt stark eingeschränkt
Der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ist für neu ankommende Geflüchtete stark eingeschränkt. Nach geltender Rechtslage dürfen Asylbewerber grundsätzlich erst nach drei Monaten einer Arbeit nachgehen - wer in einer Aufnahmeeinrichtung leben muss und kein minderjähriges Kind hat, sogar erst nach neun Monaten. Geduldete oder Geflüchtete in einer Aufnahmeeinrichtung mit minderjährigem Kind dürfen nach sechs Monaten arbeiten.
Asylbewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, die nach August 2015 ihren Asylantrag gestellt haben, haben grundsätzlich keinen Zugang zum Arbeitsmarkt.