In eigener Sache Wie die tagesschau über den Krieg berichtet
Die tagesschau produziert rund um die Uhr Nachrichten - für Fernsehen, Online und Social Media. In Zeiten von Krisen und Kriegen sind verlässliche Informationen wichtiger denn je. Woher kommen diese? Und wie arbeitet die Redaktion?
Wie arbeitet die tagesschau?
Die tagesschau, tagesschau24, tagesschau.de, das Social Media-Team der tagesschau sowie die tagesthemen arbeiten in einer gemeinsamen Redaktion von ARD-aktuell in Hamburg. Als Gemeinschaftseinrichtung der ARD werden hier rund um die Uhr Meldungen, Sendungen und Beiträge produziert. Dabei arbeitet die Redaktion eng mit dem Hauptstadtstudio in Berlin und den Landesrundfunkanstalten BR, HR, MDR, NDR, Radio Bremen, RBB, SR, SWR und WDR zusammen.
Die ARD-aktuell-Redaktion in Hamburg plant die Themen der jeweiligen Ausspielwege gemäß den aktuellen Ereignissen und Nachrichten in Deutschland und der Welt. Erstellt werden Fernsehbeiträge der tagesschau in der Regel in den Landesrundfunkanstalten. Abgenommen und veröffentlicht werden sie dann unter dem Dach der tagesschau in Hamburg. Hier entsteht auch ein Großteil der Inhalte der Website und der App von tagesschau.de sowie die Inhalte der Social Media-Kanäle der tagesschau.
Bei Kriegen und Krisen im Ausland sind in der Regel die Auslandsstudios der ARD sowie die Korrespondentinnen und Korrespondenten der ARD die ersten Ansprechpartner für die tagesschau. Die Auslandsstudios arbeiten unter der Leitung von einer oder mehreren Landesrundfunkanstalten der ARD.
Woher bekommt die tagesschau ihre Informationen?
Neben Nachrichtenagenturen wie dpa und Reuters, auf welche die tagesschau als Quellen zurückgreift, gibt es auch weitere Informationsquellen für unsere Nachrichten. Die tagesschau kann auf ein deutschland- und weltweites Netz an ARD-Korrespondentinnen und Korrespondenten in den ARD-Studios zugreifen. Dieses Netz hat sich seit den 1950er-Jahren zu einem der größten der Welt entwickelt. Korrespondentinnen und Korrespondenten sind Reporterinnen und Reporter, die im In- und Ausland recherchieren, Interviews führen, mit eigenen Kamerateams drehen oder auf Material der örtlichen Nachrichtenmedien - Fernsehen, Radio, Online-Medien und Social Media - zurückgreifen.
Korrespondentinnen und Korrespondenten sind in der Regel nicht nur für ein Land verantwortlich, sondern für ein Berichtsgebiet aus mehreren Ländern. Eine Übersicht der ARD-Korrespondentenwelt findet sich hier:
In den Auslandsstudios arbeiten in der Regel neben den Korrespondentinnen und Korrespondenten der ARD auch Ortskräfte, die mit den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten ihres Berichtsgebiets ebenso vertraut sind wie mit den Prinzipien einer unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Berichterstattung. Sie unterstützen die entsandten Journalistinnen und Journalisten sowohl bei der Recherche als auch bei der Umsetzung der Beiträge.
Je größer das Berichtsgebiet ist, desto wichtiger ist die Rolle einheimischer Mitarbeitenden, sogenannter Stringer oder Fixer - insbesondere in Zeiten von Krisen und Konflikten. Sie helfen, Kontakt zu Gesprächspartnern aufzubauen und den Kontext von Situationen und Aussagen zu verstehen - oder verlässliche Informationen zu bekommen, wenn die Korrespondentinnen und Korrespondenten nicht unmittelbar selbst in Konfliktgebiete reisen können. Dennoch können Angaben von involvierten Konfliktparteien häufig nicht sofort unabhängig überprüft werden. In solchen Fällen können Journalistinnen und Journalisten lediglich unter Nennung der Quelle wiedergeben, welche Äußerungen kursieren, welche Angaben von welchen Akteuren verbreitet werden und dass diese nicht überprüft werden können.
Neben Korrespondentenberichten laufen Informationen aus Krisengebieten in der tagesschau-Redaktion auch über Nachrichtenagenturen ein, die - so es die Sicherheitslage ermöglicht - in der Regel ebenfalls Reporterinnen und Reporter vor Ort entsenden.
Woher weiß man, was stimmt?
Eine der wichtigsten Grundlagen für die Arbeit bei der tagesschau ist das Zwei-Quellen-Prinzip. Um zu überprüfen, ob eine Information richtig und zuverlässig ist, müssen mindestens zwei unabhängige Quellen zur Bestätigung herangezogen werden können. Dadurch soll vermieden werden, dass falsch, einseitig oder voreingenommen berichtet wird.
Gerade in Kriegs- und Konfliktsituation gibt es häufig das Problem, dass es keine zwei voneinander unabhängigen Quellen für eine Information gibt. Im aktuellen Fall im Krieg in Nahost kann dies so sein, weil eine Information nur von der Terrororganisation Hamas oder vom israelischen Militär verbreitet wird. In diesen Fällen weisen wir auf die Nicht-Überprüfbarkeit von Informationen hin und nennen die Quelle.
Unabhängig von der Quellenlage liegt die Nachrichtenauswahl nicht in den Händen eines einzelnen Redakteurs oder einer Redakteurin. In Konferenzrunden werden Themen und Inhalte besprochen und oft auch kontrovers diskutiert. Bevor Nachrichten veröffentlicht werden, werden sie in einem Vier-Augen-Prinzip überprüft. Das bedeutet, auch die Veröffentlichung liegt nicht in der Hand eines einzigen Redakteurs oder einer einzelnen Redakteurin, sondern wird vorher von mindestens einer weiteren Person geprüft.
Ob eine Information, ein Bild oder ein Video echt ist, wird auch überprüft. Denn vor allem bei Bildmaterial aus den sozialen Netzwerken ist Skepsis geboten. Gerade in Krisen werden oft Bilder und Videos verbreitet, die angeblich ein aktuelles Ereignis zeigen, obwohl dies nicht der Fall ist. Mithilfe von sogenannten OSINT-Tools (Open Source Intelligence) kann beispielsweise herausgefunden werden, ob ein Bild bereits vor einem Ereignis in einem anderen Zusammenhang schon einmal im World Wide Web hochgeladen wurde, also gar nicht mit aktuellen Ereignissen in Verbindung steht.
Warum kommt es trotzdem zu Korrekturen?
Das Bemühen um umfassende und journalistisch kompetente Information bestimmt den Alltag der tagesschau: von der Auswahl der Themen bis hin zur inhaltlichen Gestaltung der Meldungen und Filmtexte.
Und doch bleibt es bei der Vielzahl an Meldungen, Beiträgen und Sendungen nicht aus, dass gelegentlich Fehler korrigiert werden müssen. Der Grund dafür können zum Beispiel Übermittlungsfehler von Informationen zwischen zuliefernden Quellen und bearbeitender Redaktion sein oder Ungenauigkeiten bei Übersetzungen, zum Beispiel in den Meldungen von Nachrichtenagenturen. Wie es im Einzelfall dazu kommen konnte, wird intern aufgearbeitet. Auf der Korrekturenseite der tagesschau sowie unter den betreffenden Beiträgen werden Korrekturen der Redaktion aufgelistet.
Welche Rolle spielt gezielte Desinformation?
Bei aktuellen Ereignissen kursieren immer auch viele Falschmeldungen im Web. Das hat damit zu tun, dass es in den ersten Stunden, beispielsweise nach einem Anschlag, oftmals ein Informationsvakuum gibt. Das heißt, dass in der Zeit unmittelbar nach einem Nachrichtenereignis wie einer Naturkatastrophe oder einem Terrorangriff oft zunächst keine unabhängig überprüfbaren Informationen von seriösen Quellen vorliegen. Einige Akteure versuchen dann, dieses Vakuum für Desinformation zu nutzen, indem sie Falschmeldungen mit der Absicht verbreiten, andere Menschen zu beeinflussen und Verwirrung zu stiften.
Wie ist die Informationssituation im Krieg in Nahost?
Bei dem aktuellen Krieg im Nahen Osten ist es für Journalistinnen und Journalisten schwierig, sich selbst ein Bild der Lage zu machen. Einreisen nach Gaza sind gar nicht oder nur unter schwierigen Bedingungen möglich. Wie in Kriegen und Konflikten häufig der Fall, gab es auch in diesem Krieg mehrmals widerstreitende Darstellungen von Ereignissen, unter anderem nach der Explosion am Al-Ahli-Krankenhaus. In Gaza gibt es quasi keine unabhängigen Quellen, Organisationen wie die Gesundheitsbehörde im Gazastreifen sind der militant-islamistischen Hamas unterstellt. Nach der Explosion am Krankenhaus hatten die Terrororganisation Hamas und ihr nahestehende Organisationen behauptet, eine israelische Rakete sei dafür verantwortlich, und mehrere Hundert Menschen seien gestorben.
Auch wenn die tatsächliche Ursache bis heute nicht mit einer absoluten Sicherheit nachgewiesen ist, deuten verschiedene Analysen jedoch darauf hin, dass eine fehlgeleitete Rakete der Terrororganisation "Islamischer Dschihad" für die Explosion verantwortlich war. Auch die Opferzahlen liegen danach deutlich unter den Angaben der Hamas. Dennoch hatten viele Medien zunächst die Darstellung der Hamas übernommen.
Neben widersprüchlichen Aussagen zu Kämpfen wird im Web Desinformation verbreitet. So wurden nach dem Angriff auf Israel im Oktober 2023 beispielsweise über Social-Media-Accounts Videos angeblicher Kampfhandlungen verbreitet, bei denen es sich tatsächlich um Sequenzen aus Videospielen handelte. Außerdem wurden gefälschte Videos seriöser Nachrichtenorganisationen wie der BBC verbreitet.
Die tagesschau berichtet im ARD-faktenfinder regelmäßig über diese Vorkommnisse, die konkret genannten Falschinformationen wurden hier vom ARD-faktenfinder dokumentiert. Die Urheber der Desinformation sind nicht immer klar zu erkennen. Im konkreten Fall des aktuellen Kriegs in Nahost sind die Urheber zum Teil Social-Media-Accounts zuzuordnen, die falsche Schuldzuweisungen verbreiten und damit möglicherweise Meinungen in eine bestimmte Richtung beeinflussen wollen. Darüber hat der ARD-faktenfinder hier berichtet. Eine Übersicht aller ARD-faktenfinder-Meldungen befindet sich hier:
Wer bestimmt, wie etwas genannt wird und was gezeigt wird?
Die Redakteurinnen und Redakteure der tagesschau berichten unabhängig. Niemand schreibt der tagesschau vor, was sie zu berichten oder nicht zu berichten hat.
Die Redaktion bespricht miteinander die Berichterstattung der tagesschau. Dafür gibt es täglich mehrmals Redaktionskonferenzen. Für Themen, die etwas mehr Zeit und Austausch benötigen, gibt es weitere Gespräche. Da die tagesschau-Nachrichten auf der Basis von Sprache und Bildern vermittelt werden, spricht die Redaktion auch über diese Themen. Wichtig ist, dass auf bestimmte Standards geachtet wird, um Fehler zu vermeiden. So wird bei Bildern aus Kriegen und Konflikten zum Beispiel stets hinterfragt, ob sie die Menschenwürde verletzen und ob über sie terroristische Propaganda verbreitet werden soll. Auch über die Nachrichtensprache der tagesschau tauscht sich die Redaktion aus, denn die Sprache ist das Werkzeug von Journalistinnen und Journalisten.
Dabei geht es darum, möglichst genau, verständlich und diskriminierungsfrei zu formulieren. Im 24-Stunden-Schichtbetrieb soll sichergestellt werden, dass zum Beispiel Schreibweisen sich nicht von Schicht zu Schicht beziehungsweise Sendung zu Sendung unterscheiden. Um dies zu verhindern, kann die Redaktion Regeln miteinander verabreden. Die selbst entworfenen Regeln sind keine Befehle, sondern werden zum Teil auch je nach Situation angepasst.
So gab es zuletzt zum Beispiel eine Diskussion darüber, ob das Flüchtlingslager Dschabalia als Flüchtlingslager bezeichnet werden kann, da der Begriff eher ein Bild von provisorischen Zeltstädten erzeugt, in Dschabalia aber befestigte Häuser stehen. Zugleich wird der Ort vom UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge betrieben. Eine abschließende Entscheidung, wie der Ort benannt wird, gibt es noch nicht.
Gibt es einen direkten Einfluss der Politik auf die Berichterstattung?
Nein. Politikjournalistinnen und -journalisten sind zwar im regelmäßigen Kontakt mit Politikerinnen und Politikern und stellen ihnen Fragen. Regierungen oder auch einzelne Abgeordnete nehmen aber keinen Einfluss auf redaktionelle Entscheidungen. Ob ein Thema gesetzt und wie darüber berichtet wird, liegt voll und ganz in den Händen der Redaktion.