Reaktionen auf TV-Duell Deutsche Politik befürchtet Trump-Rückkehr
Bidens TV-Auftritt sei "schockierend" gewesen, so eine Stimme aus der deutschen Politik. Viele sagen inzwischen ganz offen: Die US-Demokraten haben auf den falschen Kandidaten gesetzt. Sie eint die Sorge vor dem Populisten Trump.
Nach dem ersten TV-Duell vor den US-Präsidentenwahlen wächst in der deutschen Politik die Angst vor einer Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus und die möglichen Folgen für die EU und Deutschland. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zeigte sich nach dem schwachen Auftritt von Amtsinhaber Joe Biden besorgt. "Vertrauen und Verlässlichkeit und auch die transatlantische Freundschaft ist, glaube ich, in diesen Zeiten wichtiger denn je zuvor", sagte sie bei der Veranstaltung "Politik vor Ort" vom NDR, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und der Hannoverscher Allgemeinen Zeitung.
Während die Bundesregierung mit der aktuellen US-Regierung unter Präsident Joe Biden eng zusammenarbeite, sei "vollkommen unklar", was eine zweite Amtszeit Trumps für die transatlantischen Beziehungen und die Ukraine-Hilfe bedeuten würde. Baerbock betonte, dass sie in beiden politischen Lagern in den USA immer wieder Kontakte gesucht habe.
"Die Demokraten müssen jetzt umsatteln"
Mehrere Vertreter von Union und FDP äußerten die Erwartung, dass die US-Demokraten Biden durch einen anderen Kandidaten oder eine Kandidatin ersetzen.
"Die Demokraten müssen jetzt umsatteln", sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen dem Spiegel. Ähnlich äußerte sich die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Amtsinhaber Biden habe zwar große Verdienste. Aber: "Dass ein Mann wie Trump wieder Präsident werden könnte, weil die Demokraten nicht in der Lage sind, ihm einen starken Kandidaten entgegenzusetzen, wäre eine historische Tragödie, die die ganze Welt zu spüren bekäme", sagte Strack-Zimmermann der Rheinischen Post.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nannte Bidens Auftritt "schockierend". Er sagte dem Sender Welt TV, er gehe davon aus, dass sich die US-Demokraten nun mit der Frage beschäftigen würden: "Ist das der richtige Kandidat? Ja oder Nein?"
Biden geriet häufig ins Stocken
Biden bewirbt sich für die Demokraten um eine zweite Amtszeit, sein Vorgänger Trump will für die Republikaner noch einmal ins Weiße Haus. Der neue Präsident wird in den USA Anfang November gewählt. Biden war derjenige, der bereits zu dieser frühen Zeit ein TV-Duell wollte.
Nach Einschätzung von Experten ist sein Auftritt aber gründlich misslungen. Denn eines der entscheidenden Themen im US-Wahlkampf ist das hohe Alter beider Kandidaten: Biden ist 81, Trump 78. Trump wirkte sehr viel energischer und konzentrierter als Biden, der heiser sprach und häufig ins Stocken geriet. Nach Angaben des US-Präsidialamts war Biden erkältet.
"Schockstarre bei den Demokraten war zu spüren"
Der Nordamerika-Experte der Münchener Sicherheitskonferenz, Michael Werz, war bei dem TV-Duell in Atlanta dabei. "Die Schockstarre bei den Demokratinnen und Demokraten war zu spüren", sagte er in den tagesthemen und sprach von einem bedenklichem Abend für Bidens Kampagne. Fest stehe, dass es sehr schwierig ist, sich von dieser Art der Darstellung zu erholen - da helfe auch nicht Bidens kraftvollerer Auftritt bei der Wahlkampfveranstaltung in North Carolina einen Tag nach dem Duell.
Seit Wochen und Monaten bereiten sich die Demokraten laut dem Experten auf die Frage vor, was passieren soll, wenn der US-Präsident gesundheitlich nicht mehr in der Lage sein sollte, zu kandidieren. Durch das TV-Duell werde diese interne Diskussion nun öffentlich geführt. Ein möglicher alternativer Kandidat könnte der kalifornische Gouverneur, Gavin Newsom, sein. Er habe sich bereits auf nationaler Ebene positioniert. "Er ist einer der Personen, mit denen man rechnen muss."
Ein Führungswechsel sei acht Wochen vor dem Nominierungsparteitag allerdings nur mit dem Einverständnis von Biden möglich, sagte der Nordamerika-Experte. Doch der US-Präsident will weitermachen. Jetzt komme es auch auf Bidens Berater und auf einige der großen Parteispender an, die sehr nervös geworden seien, sagte Werz.
Scholz lobt "ausgezeichnetes" Verhältnis zu Biden
Zurückhaltender äußerte sich die Bundesregierung. Sie betonte das "ausgezeichnete persönliche Verhältnis" von Kanzler Olaf Scholz zu Biden. Man werde den Wahlkampf in den USA nicht kommentieren und mische sich dort nicht ein, sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner.
Allerdings kamen auch aus der Bundesregierung nach dem TV-Auftritt skeptische Stimmen mit Blick auf Biden: Dieser habe "viele Fakten undeutlich präsentiert, war zuweilen sprachlich schwer zu verstehen", sagte der Transatlantik-Beauftragte Michael Link. "Ob die Demokraten wirklich mit Joe Biden in die Wahl im November gehen werden, müssen die Demokraten auf ihrem Parteitag Mitte August entscheiden." Sie müssten nun überlegen, wer die größten Chancen habe, gegen Ex-Präsident Trump zu gewinnen.
"Vielleicht wacht Europa nach dem TV-Duell endlich auf"
Trump hatte in seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 die Beziehungen zwischen den USA und ihren Verbündeten mehrfach auf eine harte Probe gestellt. So verhängte er etwa Strafzölle auf deutsche und europäische Produkte und löste damit einen Handelskonflikt mit der EU aus. Zudem stellte er mehrfach die Beistandsverpflichtung der USA gegenüber den NATO-Partnern infrage und beschuldigte insbesondere Deutschland, auf Kosten der USA viel zu wenig in Verteidigung zu investieren.
"Vielleicht wacht Europa nach dem ersten TV-Duell endlich auf", schrieb der Vorsitzende des Außenausschusses im Bundestag, Michael Roth, im Online-Dienst X. "Banges Hoffen auf Bidens Wiederwahl hilft nichts." Europa müsse "endlich mehr wagen" und "mehr Leadership in Osteuropa und Westbalkan übernehmen", so der SPD-Politiker.
"Trumps Äußerungen in der Debatte waren für Deutschland und Europa beunruhigend", sagte auch der Transatlantik-Beauftragte Link. "Seine außenpolitischen Äußerungen sind wirr und irritierend, etwa wenn er behauptet, er würde mit Putin den Ukraine-Krieg lösen, natürlich ohne dabei die Europäer zu erwähnen", sagte der FDP-Politiker der Zeitung Tagesspiegel. In der Handelspolitik wolle Trump Deals mit einzelnen europäischen Staaten und erneut versuchen, "einzelne EU-Länder gegeneinander auszuspielen". Die Europäer müssen sich Link zufolge nun "konsequent auf alle Szenarien vorbereiten".